Eberhard Rott, Dr. Michael Stephan Kornau
Rz. 16
In der Erschließung neuer Geschäftsfelder ist die Kreditwirtschaft den freien Berufen um Jahre voraus. Sie hat die Testamentsvollstreckung – und auch die darauf gerichtete Gestaltungsberatung – längst als Mittel entdeckt, ihre Geschäftsbeziehungen mit vermögenden Kunden und ihren Angehörigen auch nach dem Tode zu erhalten. Ihr Angebot, als Testamentsvollstrecker zur Verfügung zu stehen, wird von den Kunden gerne angenommen. Ihnen wird vermittelt, der Vollzug ihrer letztwilligen Verfügungen, die Verwaltung ihres Nachlasses für die Erben und die Einhaltung ihrer Auflagen und Wünsche werde mit besonderem Sachverstand durchgeführt. Spezielle Abteilungen für Nachlass- und Stiftungsmanagement, "Certified Financial und/oder Estate Planner", aber auch Syndikus-Rechtsanwälte treten dem Kunden kompetent gegenüber. Dabei war die Rechtslage für die Banken ursprünglich alles andere als günstig. Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 27.5.1993 hatte das Angebot der Testamentsvollstreckung, soweit sie nicht durch Rechtsanwälte erfolgte, wegen Verstoßes gegen das Rechtsberatungsgesetz öffentlich in Zweifel gezogen. Es dauerte acht Jahre, bis die Kritik im Schrifttum Wirkung zeigte und die Rechtsprechung ihre strikte Auffassung relativierte. In seiner Entscheidung vom 7.5.2001 machte das Oberlandesgericht Düsseldorf erste Zugeständnisse für die Übernahme von Testamentsvollstreckertätigkeiten durch Kreditinstitute.
II. Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 11.11.2004
Rz. 17
Heute kann die Rechtsfrage als geklärt angesehen werden. Mit knappen Worten hat der Wettbewerbssenat des Bundesgerichtshofs in zwei im Wortlaut nahezu gleichen Entscheidungen vom 11.11.2004 erklärt, Banken und Steuerberater dürfen – wie jeder andere auch –, für die Übernahme von Testamentsvollstreckungen werben, ohne gegen das Rechtsberatungsgesetz zu verstoßen. Das deutsche Erbrecht verlange vom Testamentsvollstrecker keine besondere juristische Qualifikation; wenn es rechtlich schwierige Fragen zu klären gäbe, sei der Testamentsvollstrecker verpflichtet, Rechtsrat einzuholen. Dieser Rechtsrat gehe, da auf der Erblasserentscheidung basierend, zulasten der Erben.
III. Geschäftsmäßige Testamentsvollstreckung nach dem Rechtsdienstleistungsgesetz
Rz. 18
Im Ergebnis hat der Bundesgerichtshof mit seiner umfassenden Zulassung von nicht der Anwaltschaft angehörigen Testamentsvollstreckern eine Entwicklung vorausgenommen, die der Gesetzgeber seinerzeit ohnehin plante und mit dem am 1.7.2008 in Kraft getretenen Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) auch umgesetzt hat. Nach § 5 RDG ist die geschäftsmäßige Testamentsvollstreckung für jedermann möglich.
Praxishinweis
Die Regelung des § 5 RDG sollte Nichtanwälte, insbesondere Steuerberater und Banker, nicht dazu veranlassen davon auszugehen, dass erbrechtliche Beratungstätigkeit nunmehr generell für sie zulässig sei. Tätigkeiten, die darauf abstellen, dass Vorsorgevollmachten erstellt werden, Informationen über individuelle Gestaltungsmöglichkeiten beim Erbrecht erteilt werden, Vorschläge für die Testamentsformulierung inklusive Pflichtteilsansprüchen beim Einzel- oder gemeinschaftlichen Testament unterbreitet werden, Gestaltungsmöglichkeiten bei Nießbrauch vorgestellt werden, eine vorweggenommene Erbschaftsauseinandersetzung geplant und getätigt wird, Testamente mit Wiederverheiratungsklausel erörtert und/oder erstellt werden, über den Abschluss eines Ehevertrags beraten und/oder inhaltliche Gestaltungsmöglichkeiten aufgezeigt und/oder Entwürfe von Eheverträgen erstellt werden, sind nach der Rechtsprechung auch im liberalisierten Rechtsberatungsmarkt unzulässig. Sie ist für einen entsprechenden Berater auch wirtschaftlich sinnlos. Neben Unterlassungsansprüchen sieht sich ein entsprechend tätiger Berater auch ggf. Schadensersatzansprüchen ausgesetzt. Überdies muss er sich vergegenwärtigen, dass für ihn im Rahmen dieser Tätigkeit kein Versicherungsschutz besteht. Das angezeigte Gestaltungskonzept ist daher die interprofessionelle Zusammenarbeit im Beraterteam.