Rz. 171
Nach Überweisung der gepfändeten Forderung hat der Gläubiger das Recht auf Herausgabe der zur Geltendmachung der Forderung erforderlichen Urkunden (§ 836 Abs. 3 S. 1 ZPO). Vollstreckungstitel ist der zugestellte Pfändungs- und Überweisungsbeschluss. Die benötigten Urkunden sind für die Herausgabevollstreckung durch den Gerichtsvollzieher gem. § 883 Abs. 1 ZPO in dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss genau zu bezeichnen. Die Angabe im Pfändungsbeschluss "Drittschuldner: Deutsche Rentenversicherung […]. Gepfändet wird weiterhin der Anspruch auf Herausgabe des Rentenbescheids sowie der jeweils aktuellen Rentenmitteilung und der evtl. vorliegenden Vorpfändung durch den Schuldner (in Kopie) an den Gläubigervertreter" ist nicht zu beanstanden.
Rz. 172
Der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss als Herausgabetitel bedarf keiner Klausel. Die Zustellung an den Schuldner gem. § 750 Abs. 1 ZPO ist bereits zwingend nach § 829 Abs. 2 S. 2 ZPO erfolgt.
Rz. 173
Die Anordnung nach § 836 Abs. 3 S. 1 ZPO kann nur gegenüber dem Schuldner und nicht auch gegenüber dem Drittschuldner in titelgleicher Wirkung ergehen. § 836 Abs. 3 S. 1 ZPO dient insoweit einzig zur Vorbereitung der Durchsetzung von Maßnahmen gegenüber einem Drittschuldner, indem der Schuldner alle bei ihm vorhandenen Unterlagen herauszugeben hat. Nur gegenüber dem Schuldner kann erforderlichenfalls die in § 836 Abs. 3 S. 5 ZPO vorgesehene Zwangsvollstreckung aus dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss heraus erfolgen. Gegenüber einem nicht zur freiwilligen Herausgabe von in seinem Besitz befindlichen Urkunden bereiten Drittschuldner kann der Gläubiger seinerseits Klage auf Herausgabe erheben. Erst das so gegen den Drittschuldner erlangte Urteil stellt dann den für die Vollstreckung notwendigen Titel gegen den Drittschuldner dar.
Rz. 174
Hat der Gläubiger beantragt, den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss selbst zustellen zu lassen, erfolgt die Herausgabevollstreckung durch den Gerichtsvollzieher unmittelbar nach Zustellung des Beschlusses an den Schuldner.
Rz. 175
Bei den herauszugebenden Urkunden handelt es sich um alle über die Forderung vorhandenen und für eine eventuelle Drittschuldnerklage erforderlichen Beweismittel (Versicherungsschein, Beweisurkunde, Leistungsbescheid, Sparbuch, Versicherungspolice, Mietverträge, Quittungen etc.). Auf Antrag des Gläubigers ist anzuordnen, dass der Schuldner eine Kopie der Abtretungsurkunde herauszugeben hat, worin der Schuldner die gepfändeten Ansprüche an einen Dritten (hier: Bank) abgetreten hat. Gleiches gilt für die Aufnahme der Herausgabe von Unterlagen über vorrangige Pfändungen und Abtretungen oder auch bei Pfändung von Rentenansprüchen für die Leistungsbescheide der Drittschuldnerin. Der Gläubiger kann den Anspruch seines Schuldners gegen die gesetzliche Rentenversicherung auf Überlassung einer Kopie des künftigen Rentenbescheides mitpfänden, den Anspruch auf Überlassung des Originals hingegen nicht. Neben der Erklärungspflicht des Drittschuldners gem. § 840 ZPO ist der Herausgabeanspruch nach § 836 Abs. 3 ZPO gegenüber dem Schuldner für den Gläubiger eine der wenigen Möglichkeiten, wertvolle Informationen zur Geltendmachung und Durchsetzung des gepfändeten Anspruchs zu erreichen. Hiervon sollte der Gläubiger in der Praxis viel mehr Gebrauch machen.
Rz. 176
Einige Beispiele aus der Rechtsprechung:
▪ |
Arbeitsamt Der Schuldner ist verpflichtet einen Leistungsbescheid des Arbeitsamts herauszugeben. Abzulehnen ist in jedem Fall die Auffassung des LG Hannover, welches regelmäßig keinen Anspruch des Gläubigers auf Herausgabe der Leistungsbescheide des Arbeitsamtes über Unterhalts- bzw. Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe bejaht hat. |
▪ |
Arbeitseinkommen Im Rahmen der Pfändung des Arbeitseinkommens sind an den Gläubiger auch die weiteren bei dem Drittschuldner vorhandenen vorrangigen Pfändungsbeschlüsse bzgl. des Arbeitseinkommens des Schuldners herauszugeben. Die Verpflichtung des Schuldners, die über die gepfändete Forderung vorhandenen Urkunden an den Gläubiger herauszugeben, erstreckt sich auch auf die Urkunde über eine vom Schuldner vorgenommene Lohnabtretung. Bei der Pfändung eines Anspruchs auf Lohnzahlung stellt der Anspruch auf Erteilung einer Lohnabrechnung einen unselbstständigen Nebenanspruch dar, wenn es der Abrechnung bedarf, um den Anspruch auf Lohnzahlung geltend machen zu können. Wenn nicht ausgeschlossen ist, dass dem Schuldner gegen den Drittschuldner derartige Ansprüche auf Lohnabrechnung zustehen, werden diese angeblichen Ansprüche des Schuldners gegen den Drittschuldner (Arbeitgeber) bei einer Lohnpfändung mit gepfändet. In derartigen Fällen der Mitpfändung kann das Vollstreckungsgericht auf Antrag des Gläubigers die Mitpfändung im Pfändungs- und Überweisungsbeschluss (klarstellend) aussprechen. Datenschutzrechtliche Gründe stehen der begehrten Herausgabe der Lohnabrechnung durch den Arbeitgeber nicht entgegen. Nach einer Grund... |