Rz. 213
Zur Sicherung vor nachteiligen Veränderungen in der Vermögenslage des Schuldners hat das Insolvenzgericht alle Maßnahmen zu treffen, die im konkreten Fall notwendig und erforderlich erscheinen (§ 21 Abs. 1 InsO). Der Maßnahmenkatalog in § 21 Abs. 2 InsO ist aber keineswegs abschließend zu verstehen, sondern nur beispielhaft, wie das Wort "insbesondere" in § 21 Abs. 2 InsO zu Beginn verdeutlicht.
Rz. 214
Das Insolvenzgericht kann daher im Eröffnungsverfahren beispielhaft folgende Maßnahmen zur Sicherung der Insolvenzmasse erlassen:
Rz. 215
Hinweis
Wird zugleich mit der Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters ein allgemeines Verfügungsverbot erlassen, geht die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf den vorläufigen Insolvenzverwalter über (§ 22 Abs. 1 InsO). Hierfür hat sich der Begriff "starker vorläufiger Verwalter" herausgebildet.
Rz. 216
Die gerichtlich verfügte Untersagung der Zwangsvollstreckung ist ein Vollstreckungshindernis (§ 21 Abs. 2 Nr. 3 InsO). Dieses Vollstreckungsverbot umfasst nicht nur das bei seinem Erlass bereits vorhandene Vermögen, sondern auch diejenigen Vermögenswerte, die der Schuldner nachträglich, aber vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erworben hat. Die Untersagung der Zwangsvollstreckung bedeutet, dass eine Vollstreckungsmaßnahme nicht hätte erfolgen dürfen. Mit einer solchen Anordnung werden die Wirkungen des Vollstreckungsverbots, das mit der Verfahrenseröffnung eintritt (§ 89 InsO), in das Eröffnungsverfahren vorgezogen.
Ein bereits erlassener Pfändungs- und Überweisungsbeschluss wäre z.B. nachträglich aufzuheben.
Rz. 217
Die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung führt zu einem Vollstreckungshindernis i.S.v. § 775 Nr. 2 ZPO mit der Folge nach § 776 ZPO, bereits getroffene Maßnahmen bleiben einstweilen bestehen. Verstrickung und Pfändungspfandrecht bleiben erhalten, der Gläubiger bleibt damit zunächst gesichert.
Rz. 218
Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens bewirkt die Beschlagnahme des Vermögens des Insolvenzschuldners (§ 80 InsO). Wirksam wird der Eröffnungsbeschluss gem. § 27 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3 InsO. Sobald der Eröffnungsbeschluss aufgehört hat, eine gerichtsinterne Angelegenheit zu sein, treten die insolvenzrechtlichen Folgen der Verfahrenseröffnung bereits mit dem im Beschluss genannten Zeitpunkt seiner Unterzeichnung ein, also mit Rückwirkung.
Rz. 219
Der Umfang der Beschlagnahme wird bestimmt durch §§ 35, 36 InsO. Gegenstand des Insolvenzverfahrens ist damit grds. das gesamte Vermögen des Insolvenzschuldners, das ihm bei Verfahrenseröffnung gehört und das er während des Verfahrens erwirbt, sog. Neuerwerb. Dieser Neuerwerb als ein Teil der Insolvenzmasse haftet den Insolvenzgläubigern, deren Ansprüche bereits bei Verfahrenseröffnung bestehen müssen (§§ 38, 39 InsO).
Rz. 220
Mit der Beschlagnahme verliert der Schuldner das Recht, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten, über es zu verfügen sowie zu prozessieren. Das Verwaltungs- und Verfügungsrecht geht auf den Insolvenzverwalter über (§ 80 Abs. 1 InsO).
Rz. 221
Gleichzeitig mit der Verfahrenseröffnung wirkt das Vollstreckungsverbot (§ 89 Abs. 1 InsO). Das Vollstreckungsverbot betrifft nicht nur das zur Insolvenzmasse gehörige, sondern auch das sonstige Vermögen des Schuldners (§ 35 InsO). Das Vollstreckungsverbot gilt für Insolvenzgläubiger, nachrangige Insolvenzgläubiger gem. § 39 InsO und auch für sog. Neugläubiger, die erst nach Insolvenzeröffnung einen Anspruch gegen den Schuldner erlangt haben. Von dem Begriff der "Zwangsvollstreckung" gem. § 89 Abs. 1 InsO werden alle Arrestvollziehungen, Einzelzwangsvollstreckungen sowie die Eintragung einer Vormerkung aufgrund einer einstweiligen Verfügung erfasst. Nicht dazu gehören vorbereitende Maßnahmen, z.B. Vermögensauskunft, Zustellung oder die Klauselerteilung bzw. -umschreibung.
Rz. 222
Aufgrund der durch § 88 InsO bestehenden sog. Rückschlagsperre werden Sicherungen, die der Insolvenzgläubiger im letzten Monat bzw. bei Verbrauchern bis zu drei Monate vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag durch Zwangsvollstreckung an dem zur Insolvenzmasse gehörenden Vermögen des Schuldners erlangt, mit der Eröffnung des Verfahrens unwirksam (z.B. Pfändungsmaßnahmen, Zwangssicherungshypothek).
Rz. 223
Ein mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Pfändungsschuldners schwebend unwirksam gewordenes Pfändungspfandrecht lebt dann, wenn der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss nicht vom zuständigen Vollstreckungsorgan aufgehoben worden ist, mit der Freigabe der gepfändeten Forderung oder mit der ...