Dr. Jörg Kraemer, Frank-Michael Goebel
Rz. 272
Die zum 1.1.2013 in Kraft tretende Reform der Sachaufklärung bringt für den Gläubiger weitere Möglichkeiten mit sich, den Aufenthalt und das Vermögen des Schuldners zu ermitteln. Die Auskunftsrechte wurden zudem durch das Gesetz zur Verbesserung des Schutzes von Gerichtsvollziehern vor Gewalt sowie zur Änderung weiterer zwangsvollstreckungsrechtlicher Vorschriften (Gerichtsvollzieherschutzgesetz – GvSchuG), welches zum 1.1.2022 in Kraft trat, insbesondere auf die berufsständischen Versorgungseinrichtungen erweitert.
Rz. 273
Ist der Wohnsitz oder gewöhnliche Aufenthaltsort des Schuldners nicht bekannt, darf der Gerichtsvollzieher nach § 755 Abs. 1 ZPO aufgrund des Vollstreckungsauftrags und der Übergabe der vollstreckbaren Ausfertigung zur Ermittlung des Aufenthaltsorts des Schuldners bei der Meldebehörde die gegenwärtigen Anschriften sowie Angaben zur Haupt- und Nebenwohnung des Schuldners erheben.
Hinweis
Hierauf – und die damit verbundenen Kosten – kann verzichtet werden, wenn dem Gerichtsvollzieher eine Melderegisterauskunft vorgelegt wird, die nicht älter als ein Monat ist.
Rz. 274
Soweit der Aufenthaltsort des Schuldners danach nicht zu ermitteln ist, darf der Gerichtsvollzieher nach § 755 Abs. 2 ZPO
1. |
zunächst beim Ausländerzentralregister die Angaben zur aktenführenden Ausländerbehörde sowie zum Zuzug oder Fortzug des Schuldners und anschließend bei der gemäß der Auskunft aus dem Ausländerzentralregister aktenführenden Ausländerbehörde den Aufenthaltsort des Schuldners, |
2. |
bei den Trägern der gesetzlichen Rentenversicherung und bei einer berufsständischen Versorgungseinrichtung i.S.d. § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI die dort bekannte derzeitige Anschrift, den derzeitigen oder zukünftigen Aufenthaltsort des Schuldners sowie |
3. |
bei dem Kraftfahrt-Bundesamt die Halterdaten nach § 33 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 des Straßenverkehrsgesetzes |
erheben.
Die Erhebung nach S. 1 Nr. 2 bei einer berufsständischen Versorgungseinrichtung darf der Gerichtsvollzieher nur durchführen, wenn der Gläubiger die berufsständische Versorgungseinrichtung bezeichnet und tatsächliche Anhaltspunkte nennt, die nahelegen, dass der Schuldner Mitglied dieser berufsständischen Versorgungseinrichtung ist. Wesentlicher Anhaltspunkt wird üblicherweise die Angabe des Berufs des Schuldners sein, wenn dieser Beruf wiederum den freien Berufen zuzuordnen ist. Dies setzt naturgemäß voraus, dass der Gläubiger, sei es über den Mandanten oder sei es im Rahmen einer Vermögensauskunft, tatsächliche Kenntnis vom Beruf des Schuldners hat.
Aus praktischer Sicht ist relevant, dass üblicherweise gerade die freien Berufe davon leben, auch gefunden zu werden, sodass womöglich eine intensive Internetrecherche schneller und kostengünstiger die gewünschten Ergebnisse liefert. Umgekehrt liefert allerdings die Internetrecherche regelmäßig nur die geschäftliche Anschrift. Über die berufsständische Versorgungseinrichtung lässt sich gegebenenfalls die Privatanschrift ermitteln bzw. ergeben sich neue Anhaltspunkte für weitere Ermittlungen.
Rz. 275
Kommt der Schuldner seiner Pflicht zur Abgabe der Vermögensauskunft nicht nach, ist bei einer Vollstreckung in die dort aufgeführten Vermögensgegenstände eine vollständige Befriedigung des Gläubigers voraussichtlich nicht zu erwarten, so darf der Gerichtsvollzieher
1. |
bei den Trägern der gesetzlichen Rentenversicherung und bei einer berufsständischen Versorgungseinrichtung i.S.d. § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI den Namen, die Vornamen oder die Firma sowie die Anschriften der derzeitigen Arbeitgeber eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses des Schuldners erheben; |
2. |
das Bundeszentralamt für Steuern ersuchen, bei den Kreditinstituten die in § 93b Abs. 1, Abs. 1a der Abgabenordnung bezeichneten Daten abzurufen (§ 93 Abs. 8 Abgabenordnung); |
3. |
beim Kraftfahrt-Bundesamt die Fahrzeug- und Halterdaten nach § 33 Abs. 1 des Straßenverkehrsgesetzes zu einem Fahrzeug, als dessen Halter der Schuldner eingetragen ist, erheben. |
Für die Erhebung nach bei einer berufsständischen Versorgungseinrichtung gelten die gleichen Anforderungen wie beim Ermittlungsauftrag: Der Gläubiger muss also die berufsständische Versorgungseinrichtung namentlich bezeichnen und Anhaltspunkte dafür liefern, dass der Schuldner Mitglied bei dieser berufsständischen Versorgungseinrichtung ist.
Rz. 276
Die praktische Anwendung ist jedoch zweifelhaft. Es ist nicht recht einzusehen, weshalb hier ein theoretisches Beauskunftungsverfahren vorgeschalten werden soll, wenn umgekehrt problemlos über eine Verdachtspfändung bei der berufsständischen Versorgungseinrichtung Fakten geschaffen werden können. Für den Gläubiger besteht natürlich immer die Gefahr, dass während des Beauskunftungsverfahrens im Rahmen der Drittauskünfte ein anderweitiger Gläubiger die erste Rangstelle bei der berufsständischen Versorgungseinrichtung besetzt, währenddessen der andere Gläubiger noch das Ergebnis der Drittauskünfte abwartet.
Rz. 277
Durch das GvSchuG wurde zum 1.1.2022 neu eingef...