Dr. Jörg Kraemer, Frank-Michael Goebel
Rz. 158
Ist der Schuldner verstorben und sind dem Gläubiger die Erben nicht bekannt, kann er bei dem Nachlassgericht gemäß §§ 13, 357 FamFG durch Einsicht in die Nachlassakten die Erben ermitteln und, soweit zur Titelumschreibung nach § 727 ZPO erforderlich, gemäß § 357 Abs. 2 FamFG, § 792 ZPO auch eine Ausfertigung eines etwaig bereits erteilten Erbscheins verlangen.
Rz. 159
Tipp
Zur Fortsetzung der Vollstreckung in den Nachlass ist es nach § 779 ZPO allerdings nicht immer erforderlich, auch den Erben zu kennen. Eine Zwangsvollstreckung, die zum Zeitpunkt des Erbfalls des Schuldners in dessen Vermögen irgendwann einmal bereits begonnen hatte, wird ohne Rücksicht auf den Erbfall fortgesetzt.
Rz. 160
Hinweis
Ist die Titelumschreibung nach § 727 ZPO bei dem gleichen Amtsgericht zu beantragen, so dürfte auch ein Hinweis auf die Nachlassakten und den hierin befindlichen Erbschein zum Nachweis der Rechtsnachfolge ausreichen.
Rz. 161
Sachlich zuständig sind nach § 23a Abs. 2 Nr. 2 GVG die Amtsgerichte als Nachlassgerichte. Örtlich zuständig ist nach § 343 FamFG das Nachlassgericht, in dessen Bezirk der Schuldner und Erblasser seinen letzten Wohnsitz hatte.
Rz. 162
§§ 13, 357 FamFG stellen es in das pflichtgemäße Ermessen des Nachlassgerichtes, ob und in welchem Umfang Akteneinsicht gewährt und Abschriften erteilt werden. Voraussetzung dafür, dass das Gericht sein Ermessen aber überhaupt ausüben muss, ist, dass der Gläubiger ein berechtigtes Interesse an der Akteneinsicht und der Erteilung von Abschriften glaubhaft macht. Ein solches Interesse ist mit der Vorlage der Vollstreckungsunterlagen und damit dem Nachweis, Nachlassgläubiger zu sein, sowie dem Hinweis, nach der beabsichtigten Umschreibung nach § 727 ZPO auch Eigengläubiger des Erben zu sein, ohne weiteres glaubhaft gemacht. Der gewerbliche Erbenermittler hat dabei aber kein eigenes Akteneinsichtsrecht.
Rz. 163
Das Nachlassgericht hat die Akteneinsicht dann nach pflichtgemäßem Ermessen zu erteilen. Ein Absehen von der Bewilligung der Akteneinsicht wird damit nur dann in Betracht kommen, wenn überwiegende Geheimhaltungsinteressen des Erben dem entgegenstehen. Allein die Verhinderung von Vollstreckungsmaßnahmen in den Nachlass oder das Eigenvermögen des Schuldners vermögen ein solches überwiegendes Interesse jedoch nicht zu begründen.
Rz. 164
Wird entgegen den vorstehenden Ausführungen eine Akteneinsicht durch das Nachlassgericht nicht gewährt, so steht dem Gläubiger gegen die ablehnende Entscheidung zunächst die befristete Beschwerde nach § 58 FamFG zum Beschwerdesenat des Oberlandesgerichtes, § 119 Abs. 1 Nr. 1b GVG und nach § 70 FamFG auch die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof zu, sofern sie zugelassen wurde.
Rz. 165
Der Gläubiger, dem durch die verweigerte Akteneinsicht die Erben unbekannt bleiben oder der jedenfalls keine Kenntnis davon hat, ob die potentiellen Erben die Erbschaft angenommen oder ausgeschlagen haben, kann aber auch nach § 779 Abs. 2 ZPO vorgehen und einen Antrag auf Bestimmung eines besonderen Vertreters der Erben stellen, um die Vollstreckung in den Nachlass zu beginnen oder – soweit eine Handlung des Schuldners erforderlich ist – fortzusetzen. Dies hat allerdings den Nachteil, dass der Gläubiger keine Möglichkeit hat, die Haftungsmasse um das Eigenvermögen des Erben zu erweitern. Aus diesem Grunde kann es sinnvoll sein, den Namen und auf dieser Grundlage auch die Anschrift der tatsächlichen Erben zu ermitteln. Dabei ergibt sich jedoch regelmäßig die Problematik, dass der Gläubiger keine Kenntnis von den Abkömmlingen oder sonstigen als Erben in Betracht kommenden Verwandten des Schuldners hat. Diese Kenntnis kann sich der Gläubiger allerdings durch einen Antrag auf Einsichtnahme in das Personenstandsbuch des Erblassers verschaffen. Die Führung des Personenstandsregisters obliegt nach § 1 Abs. 2 PStG den Standesbeamten. Die örtliche Zuständigkeit ergibt sich aus dem jeweiligen Landesrecht. Das entsprechende Einsichtsrecht ergibt sich aus § 62 PStG. Voraussetzung ist auch hier, dass ein rechtliches Interesse an der Einsicht glaubhaft gemacht wird. Aufgrund der Vorlage der Vollstreckungsunterlagen ist ein solches rechtliches Interesse grundsätzlich anzunehmen. Verweigert der Standesbeamte die gewünschte Akteneinsicht und die Übersendung einer beglaubigten Abschrift aus dem Familienbuch nebst der Sterbeurkunde, so kann hiergegen die gerichtliche Entscheidung nach § 49 Abs. 1 PStG beantragt werden. Auf das gerichtliche Verfahren sind dann die Vorschriften des FamFG anzuwenden, § 51 Abs. 1 PStG. Die örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichtes ist nach § 50 Abs. 1 PStG am Sitz des Landgerichtes, in dessen Bezirk das Standesamt seinen Sitz hat, begründet.
Rz. 166
Ist dem Gläubiger der Erbe bekannt, ohne dass er ausreichende Kenntnis über den Umfang und den Aufenthaltsort des Nachlassvermögens hat, so kann er den Titel nach § 727 ZPO auf den Erben umschreiben lassen. Zum Nachweis der Rechtsnachfolge mittels öffentlicher oder öffentlich ...