Dr. Jörg Kraemer, Frank-Michael Goebel
Rz. 218
Die Zwangsvollstreckung beginnt schon vor und während des Erkenntnisverfahrens. Der aufmerksame Gläubiger kann hier eine Vielzahl von Informationen erhalten. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Schuldner als Beklagter im Prozess Prozesskostenhilfe beantragt.
Rz. 219
Hinweis
In diesem Fall muss sich der Gläubiger vor Augen führen, dass seine Zwangsvollstreckung auch im Falle der erfolgreichen Titulierung kaum Aussicht auf Erfolg hat. Wird dem Schuldner aufgrund seiner persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse Prozesskostenhilfe gewährt, so spricht dies dafür, dass sein Einkommen und sein Vermögen so gering sind, dass sie unter den Pfändungsfreigrenzen liegen. Der Gläubiger wird in der Zwangsvollstreckung also nur Erfolg haben, wenn der Schuldner im Prozesskostenhilfeverfahren falsche Angaben gemacht hat, sich die Einkommens- und Vermögenssituation wesentlich ändert oder der Gläubiger die Möglichkeiten einer privilegierten Pfändung (§§ 850f Abs. 2, 850d ZPO) ergreifen kann.
Rz. 220
Da das amtliche Formblatt zur Darstellung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse dem Schuldner eine umfangreiche Vermögensauskunft abverlangt, kann es aber zugleich auch Grundlage der Informationsbeschaffung des Gläubigers sein. Allerdings erhält der Gläubiger bzw. dessen Rechtsanwalt als Bevollmächtigter ungeachtet seines Rechtes nach § 299 ZPO Einsicht in die Gerichtsakten nehmen zu dürfen, grundsätzlich keine Einsicht in das Prozesskostenhilfeheft. Dies gilt jedenfalls dann, wenn er sich die Gerichtsakte in seine Kanzlei übersenden lässt. Das PKH-Heft wird dann zuvor entnommen.
Die Praxis zeigt allerdings, dass sich dies zum Teil anders verhält, wenn die Akteneinsicht vor Ort erfolgt. In diesem Fall wird nicht selten "vergessen", das PKH-Heft zu entnehmen, was dem Gläubiger einen entsprechenden Einblick verschafft. Es wäre wirklichkeitsfremd, dem Gläubiger zu verwehren, diese Möglichkeit der Informationsbeschaffung zu nutzen.
Rz. 221
Tipp
Auf diese Weise lassen sich auch Sitzungspausen und der verzögerte Beginn von Gerichtsverhandlungen sinnvoll nutzen. Der Rechtsanwalt sollte für diese Zwecke immer ein Blankovordruck der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse mit sich führen.
Rz. 222
Der Vordruck enthält dann nahezu dieselben Informationen wie ein Vermögensverzeichnis im Verfahren auf Abnahme der Vermögensauskunft nach §§ 802c, d ZPO. Der Gläubiger erspart auf diese Weise die Kosten des Verfahrens nach §§ 802c, d ZPO und kann dazu nach Titulierung schnell und zielgerichtet die Zwangsvollstreckung betreiben.
Rz. 223
Hinweis
Bei der Gerichtsakte finden sich ganz am Anfang immer die Zahlungsnachweise über Einzahlungen der Parteien. Hier kann man zum Teil erkennen, von wo eine Einzahlung vorgenommen wurde. Sind die Einzahlungen über eine (Rechtsschutz-)Versicherung erfolgt, spricht eine gewisse Vermutung dafür, dass der Schuldner dort auch andere Versicherungen unterhält, die ggf. Beitragsrückerstattungen gewähren. Zum Teil befindet sich dort auch ein kopierter Verrechnungsscheck aus dem sich erkennen lässt, bei welcher Bank der Schuldner sein Konto hat.