Rz. 71
Sofern sich das Gericht des Strengbeweisverfahrens bedient, gelten die §§ 355–370 ZPO entsprechend, § 30 Abs. 1 FamFG. Insoweit ist eine förmliche Beweisaufnahme erforderlich.
a) Anordnung der Beweisaufnahme
Rz. 72
Die Anordnung der Beweisaufnahme kann formlos geschehen. Eines Beweisbeschlusses bedarf es nicht. Wegen des Untersuchungsgrundsatzes bedarf es auch keines Beweisantritts. Die §§ 371, 373, 403, 420 ZPO sind nicht entsprechend heranzuziehen.
Rz. 73
Muster 1.16: Anordnung der Beweisaufnahme
Muster 1.16: Anordnung der Beweisaufnahme
VI _________________________ / _________________________
Verfügung:
1. |
Termin zur Beweisaufnahme wird bestimmt auf _________________________ |
2. |
Zu diesem Termin sind die Zeugen _________________________ _________________________ zu laden. |
3. |
Terminsmitteilung an Beteiligte _________________________ |
4. |
WV sp. _________________________ |
(Richter am Amtsgericht)
b) Beteiligtenöffentlichkeit
Rz. 74
Auch im FamFG-Verfahren gilt der Grundsatz der Beteiligtenöffentlichkeit. Die Beteiligten haben in den förmlichen Beweisverfahren Anspruch auf Anwesenheit und Ausübung des Fragerechts, § 30 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 397 ZPO. Damit das Teilnahme- und Fragerecht auch tatsächlich möglich ist, ist eine Terminsnachricht erforderlich. Im Übrigen wird nicht öffentlich verhandelt, §§ 169, 170 GVG.
c) Mündlichkeitsgrundsatz
Rz. 75
Eine zwingende mündliche Verhandlung kennt das nachlassgerichtliche Verfahren nicht.
Nach § 32 Abs. 1 FamFG kann das Gericht, sofern es dies für sachdienlich hält, die Sache mit den Beteiligten in einem Termin erörtern. Damit hat das Gericht auch nach pflichtgemäßem Ermessen zwischen mündlichem und schriftlichem Verfahren zu wählen.
d) Muster: Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung
Rz. 76
Muster 1.17: Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung
Muster 1.17: Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung
An das
Amtsgericht
– Nachlassgericht –
_________________________
Nachlasssache _________________________
Az. _________________________
Erbscheinsantrag des _________________________
Zur Klärung der Frage, ob der Erblasser bei der Errichtung der letztwilligen Verfügung vom _________________________ bezüglich der Enterbung seines Sohnes von falschen Tatsachen ausging, beantrage ich eine mündliche Verhandlung durchzuführen. Allein die schriftlichen Äußerungen der Zeugen reichen nicht aus, weil _________________________.
(Rechtsanwalt)
e) Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme
Rz. 77
Wie im Zivilprozess muss auch im nachlassgerichtlichen Verfahren der Strengbeweis durch den erkennenden Richter erhoben werden. Insoweit gilt § 355 ZPO entsprechend.
Allerdings kennt dieser Grundsatz zwei Ausnahmen:
Die Beweisaufnahme kann
erfolgen. Auch eine Übertragung auf den Einzelrichter ist im Beschwerdeverfahren möglich. § 68 Abs. 4 FamFG verweist insoweit auf § 526 ZPO.
Rz. 78
Ist bei der Würdigung der Aussage eines förmlich vernommenen Zeugen nicht (nur) die Glaubhaftigkeit einer Sachdarstellung, sondern (auch) die sich auf die Persönlichkeit des Zeugen beziehende Glaubwürdigkeit von Bedeutung, so muss auch im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit das erkennende Gericht in seiner Spruchbesetzung einen persönlichen Eindruck von dem Zeugen gewonnen haben oder aber auf eine aktenkundige und der Stellungnahme durch die Beteiligten zugängliche Beurteilung zurückgreifen können.