1. Grundsätzliches
Rz. 38
Sowohl der formell als auch der materiell Beteiligte genießen im nachlassgerichtlichen Verfahren den Anspruch auf rechtliches Gehör. Dieser ergibt sich aus Art. 103 Abs. 1 GG, der unmittelbar geltendes Recht für alle Verfahrensarten darstellt. Aber auch § 30 Abs. 4 FamFG verpflichtet das Gericht, den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme zum Ergebnis einer förmlichen Beweisaufnahme zu geben. Dazu gehört auch die Möglichkeit der Kenntnisnahme.
2. Umfang des Anspruchs auf rechtliches Gehör
Rz. 39
Das Recht auf Kenntnisnahme erstreckt sich auf das gesamte Tatsachenmaterial, das das Gericht seiner Entscheidung zugrunde legen will. Dazu gehören vor allem das Vorbringen anderer Beteiligter, das Ergebnis der Anhörung anderer Beteiligter, Zeugenaussagen, Sachverständigengutachten, insbesondere ärztliche Atteste, und auch beigezogene Akten. Gewährt wird dieses Recht durch Akteneinsicht und die Übersendung von Abschriften.
Rz. 40
§ 13 Abs. 1 FamFG bestimmt, dass die Beteiligten Einsicht in die Gerichtsakten nehmen können. Dritten kann sie nur gestattet werden, wenn sie ein "berechtigtes Interesse" glaubhaft machen, § 13 Abs. 2 FamFG. Für Nachlasssachen enthält auch noch § 357 FamFG für bestimmte Aktenstücke ein Informationsrecht, wenn ein rechtliches Interesse glaubhaft gemacht wird. Das Informationsrecht bezieht sich auch auf beigezogene Akten eines anderen Verfahrens.
Rz. 41
Muster 1.8: Antrag auf Akteneinsicht
Muster 1.8: Antrag auf Akteneinsicht
An das
Amtsgericht
– Nachlassgericht –
_________________________
Nachlasssache _________________________
Az. _________________________
Erbscheinsantrag des _________________________
Namens und im Auftrag meiner Mandantin _________________________ beantrage ich, mir Akteneinsicht in die Nachlassakten zu gewähren und sie mir für die Dauer von drei Tagen zu übersenden.
(Rechtsanwalt)
Rz. 42
Gebühren fallen für die Akteneinsicht nicht an. Bei Abschriften und deren Beglaubigungen sind die Vorschriften des KV 25100 ff. GNotKG zu beachten.
Rz. 43
Als Rechtsmittel gegen die Verweigerung der Akteneinsicht ist die befristete Beschwerde statthaft, §§ 58 ff. FamFG. Es handelt sich bei der Ablehnung um eine Entscheidung, die in richterlicher Unabhängigkeit getroffen wird, und nicht etwa um einen Justizverwaltungsakt gemäß §§ 23 ff. EGGVG.
Rz. 44
Muster 1.9: (Befristete) Beschwerde gegen die Verweigerung der Akteneinsicht
Muster 1.9: (Befristete) Beschwerde gegen die Verweigerung der Akteneinsicht
An das
Amtsgericht
– Nachlassgericht –
_________________________
Nachlasssache _________________________
Az. _________________________
In der Nachlasssache _________________________, verstorben am _________________________, lege ich hiermit namens und im Auftrag meines Mandanten gegen die Verfügung (oder den Beschluss) des Amtsgerichts _________________________ vom _________________________, wonach meinem Mandanten keine Akteneinsicht gewährt wird,
Beschwerde
ein.
Begründung:
Als Sohn des Erblassers und möglicher gesetzlicher Erbe ist mein Mandant materiell am Erbscheinsverfahren beteiligt. Die Stellung eines Erbscheinsantrages ist für das Recht auf Akteneinsicht nicht Voraussetzung. Vielmehr steht auch materiell Beteiligten dieses Recht zu (vgl. Bumiller/Harders/Schwamb, § 13 FamFG Rn 5). Die Verfügung vom _________________________ ist daher zu Unrecht ergangen. Ich beantrage, sie aufzuheben und Akteneinsicht zu gewähren.
(Rechtsanwalt)
3. Besondere Einsichtsrechte
Rz. 45
Was die Einsicht in eine eröffnete Verfügung von Todes wegen anbelangt, enthält § 357 FamFG eine Sonderregelung:
§ 357 FamFG Einsicht in eine eröffnete Verfügung von Todes wegen; Ausfertigung eines Erbscheins oder anderen Zeugnisses
(1) Wer ein rechtliches Interesse glaubhaft macht, ist berechtigt, eine eröffnete Verfügung von Todes wegen einzusehen.
(2) Wer ein rechtliches Interesse glaubhaft macht, kann verlangen, dass ihm von dem Gericht eine Ausfertigung des Erbscheins erteilt wird. Das Gleiche gilt für die nach § 354 erteilten gerichtlichen Zeugnisse sowie für die Beschlüsse, die sich auf die Ernennung oder die Entlassung eines Testamentsvollstreckers beziehen.
Rz. 46
§ 357 Abs. 1 FamFG übernahm den Regelungsgehalt des früheren § 2264 BGB. Er steht neben dem allgemeinen Akteneinsichtsrecht nach § 13 Abs. 2 FamFG, der die Einsicht in das Ermessen des Gerichts stellt, und dehnt das Einsichtsrecht nunmehr auf alle Arten von letztwilligen Verfügungen, auch auf eröffnete Erbverträge, aus.
Rz. 47
Nach § 357 Abs. 2 FamFG kann auch eine Ausfertigung von Erbscheinen, § 2353 BGB, Testamentsvollstreckerzeugnissen, § 2368 BGB, und von Zeugnissen über die Fortsetzung der Gütergemeinschaft verlangt werden. Auch Beschlüsse nach §§ 2200, 2202 Abs. 3, 2227 BGB können in Ausfertigung angefordert werden. Die Ausfertigung vertritt im Rechtsverkehr die Urschrift, § 47 BeurkG.
Rz. 48
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