Rz. 99
Die Übertragung von Geschäftsanteilen unterliegt dem Gesellschaftsstatut. Dies betrifft dann insbesondere die Frage,
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ob eine Abtretung überhaupt möglich ist und |
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welche Beschränkungen ggf. bestehen (Übertragung nur an Mitgesellschafter möglich, Erfordernis der Zustimmung durch die Mitgesellschafter oder die Gesellschaft etc.), |
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ob eine Teilabtretung des Geschäftsanteils möglich ist und welche Regelung über die Stückelung hierbei zu beachten ist, |
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welche Maßnahmen zur Übertragung durchzuführen sind (Übergabe von Anteilsscheinen, Mitteilung an die Geschäftsführung, Eintragung im Handelsregister etc.) und |
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mit welchem Zeitpunkt die Abtretung wirksam wird. |
Rz. 100
Dabei ergibt sich aus dem Gesellschaftsstatut auch, ob – neben den anderen Erfordernissen – der Anteil bereits mit Abschluss des schuldrechtlichen Kausalgeschäfts übergeht (reines dingliches Konsensprinzip, so z.B. Frankreich, Italien, Polen), ob es eine von der causa verselbstständigte, "abstrakte" Abtretung gibt (Deutschland, Griechenland) oder ob eine Abtretungserklärung erforderlich ist, deren Wirksamkeit aber vom Vorliegen eines Kausalverhältnisses abhängig ist (System von titulus und modus, z.B. Österreich, Schweiz). Die Verfügungswirkung der causa (Kauf, Schenkungsvertrag, Vermächtnis) hängt also nicht von dem für diesen schuldrechtlichen Titel geltenden Recht (Vertragsstatut, welches nach den Regeln der Rom I-VO zu bestimmen ist) ab, sondern von dem für die Abtretung maßgeblichen Recht, also dem Gesellschaftsstatut der Objektgesellschaft.
Rz. 101
Besonderheiten gelten, wenn über die Beteiligung echte Inhaberpapiere ausgegeben worden sind. Das ist dann der Fall, wenn die Übertragung der Beteiligung in der Weise erfolgt, dass die verbriefende Urkunde übereignet wird. Das Gesellschaftsstatut gilt dann nur für die Frage, ob es sich bei diesen Papieren um echte Inhaberpapiere (z.B. Inhaberaktien) handelt. In diesem Fall wird der Grundsatz, dass das Recht aus dem Papier dem Recht an dem Papier folgt, auch in das IPR übertragen. Die Verfügung über diese Papiere richtet sich dann nicht nach dem Gesellschaftsstatut, das dann lediglich darüber entscheidet, ob die Verfügung möglich ist und welche Wirkungen sie hat, sondern nach dem für die Übereignung des Papiers maßgeblichen Sachenstatut. Art. 43 Abs. 1 EGBGB verweist hier auf das Recht am jeweiligen Lageort der Urkunde (lex cartae sitae). Freilich sind Namens- und Inhaberpapiere charakteristisch für Anteile an Aktiengesellschaften. Das Vorhandensein deutet darauf hin, dass es sich wohl doch nicht um eine GmbH handelt.