Rz. 69
Gemäß Art. 11 Abs. 1 EGBGB genügt für die Formwirksamkeit eines Rechtsgeschäfts nicht nur die Einhaltung der von dem Recht, das auf seinen Gegenstand anzuwenden ist, vorgesehenen Formerfordernisse (Geschäftsrecht bzw. lex causae, in casu also das Gesellschaftsstatut). Zur Erleichterung der Einhaltung der Form (favor negotii) soll auch die Einhaltung der Formerfordernisse des Rechts des Staates, in dem das Rechtsgeschäft vorgenommen ist (Ortsrecht bzw. lex loci actus), genügen. Hieran schließen sich in der Literatur zwei Streitfragen an:
Rz. 70
Zunächst ist umstritten, ob die in Art. 11 Abs. 1 Fall 2 EGBGB vorgesehene alternative Geltung des Ortsrechts überhaupt im Gesellschaftsrecht zum Zuge kommt. Hier geht es also um die Behandlung auf kollisionsrechtlicher Ebene. Verneint man diese Frage und verlangt das – in diesem Fall dann ausschließlich maßgebliche – Gesellschaftsstatut eine notarielle Beurkundung, so stellt sich die weitere Frage, ob die notarielle Beurkundung auch von einem ausländischen Notar vorgenommen werden kann und welche Anforderungen dann ggf. an die Person des Notars und an das Verfahren der Beurkundung zu stellen sind (Substitution).
Rz. 71
Beide Fragen sind – was das deutsche Recht angeht – umstritten. Die Ansichten in der Literatur sind gespalten, die Rechtsprechung ist noch unentschieden. Freilich zeichnet sich in Bezug auf die alternative Geltung der Ortsform zumindest für Akte, die die Organisation der Gesellschaft betreffen – und dies gilt in besonderer Weise für den Gründungsakt –, eine Tendenz dahingehend ab, die Einhaltung ausschließlich der vom Gesellschaftsstatut geforderten Form zu verlangen und das Ortsrecht nicht genügen zu lassen. Schon aus den Gesetzgebungsmaterialien zu Art. 11 EGBGB ergibt sich, dass diese allgemeine Formvorschrift im Gesellschaftsrecht keine Anwendung finden sollte. Einen ausdrücklichen Vorbehalt in Art. 11 EGBGB hielt man für überflüssig, weil das EGBGB für das internationale Gesellschaftsrecht eine Regelung enthielt. Bestätigt wird diese Auffassung durch den Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz zu einem Gesetz zum Internationalen Privatrecht der Gesellschaften, Vereine und juristischen Personen, der eine Ergänzung zu Art. 11 EGBGB enthält, wonach für Rechtsgeschäfte, welche die Verfassung einer Gesellschaft betreffen, ausdrücklich die Formvorschriften des Gesellschaftsstatuts für anwendbar erklärt werden. Diese Ergänzung des Art. 11 EGBGB zeigt, dass der Gesetzgeber weiterhin davon ausgeht, dass Art. 11 EGBGB gesellschaftsrechtliche Rechtsverhältnisse nicht erfasst, so dass erst die Ergänzung des EGBGB um das internationale Gesellschaftsrecht die Einfügung eines entsprechenden Vorbehalts in Art. 11 EGBGB erforderlich macht.
Rz. 72
In der Praxis stellt sich dann die Frage, ob sich die Geltung des Gesellschaftsstatuts auch auf die Form der Gründungsvollmacht erstreckt, also vor allem nach der internationalen Reichweite von § 2 Abs. 2 GmbHG. Grundsätzlich wird zwar die Vollmacht auch kollisionsrechtlich unabhängig von dem vom Bevollmächtigten vorzunehmenden Rechtsgeschäft getrennt behandelt. Das heißt, dass die Wirksamkeit der Vollmacht vom Hauptstatut selbstständig ist und einem eigenen Vollmachtsstatut unterliegt. Bei der Pflicht zur Beurkundung des Gründungsaktes wie auch der hierauf gerichteten Vollmacht handelt es sich aber letztlich um Erfordernisse, die über reine Formzwecke hinaus auch schon – quasi als Vorstufe – in das registerrechtliche Gründungsverfahren hineinragen. Dies gilt umso mehr, als das Beglaubigungserfordernis nur selten materielles Formerfordernis ist. Zumeist handelt es sich um ein verfahrensrechtliches Beweiserfordernis. Demgemäß wird man bei ausschließlicher Maßgeblichkeit des Gesellschaftsstatuts für die Formwirksamkeit des Gründungsaktes auch für die Gründungsvollmacht zur Errichtung einer deutschen GmbH selbst bei Ausstellung der Vollmacht im Ausland verlangen müssen, dass diese gem. § 2 Abs. 2 GmbHG in öffentlich beglaubigter Form vorgelegt wird. Dem Bevollmächtigten, der allein eine privatschriftliche oder gar formlose Vollmacht vorweisen kann, bleibt damit praktisch nur der Ausweg, entweder im Namen seines Auftraggebers eine Vorratsgesellschaft zu erwerben oder aber eine Treuhandgründung im eigenen Namen vorzunehmen und deren Anteile an den Auftraggeber abzutreten.