Rz. 118
Der Schuldvertrag über die Geschäftsanteile unterliegt dem gemäß den Regeln der Rom I-VO bestimmten Recht. Gemäß Art. 3 Rom I-VO ist vorrangig auf eine Rechtswahlvereinbarung der Beteiligten abzustellen. Haben sie keine Rechtswahl getroffen, gilt – mangels anderer engerer Verbindungen – das Recht des Staates, in dem der Verkäufer seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (Art. 4 Abs. 1 Rom I-VO).
Rz. 119
Die Formwirksamkeit des Kausalgeschäfts ergibt sich gem. Art. 11 Abs. 1 Rom I-VO alternativ aus dem Recht des Abschlussortes und aus dem auf das Hauptgeschäft, also z.B. dem Kaufvertrag, anwendbaren Recht. Anders als bei der Abtretung ist in Deutschland allgemein anerkannt, dass auch dann, wenn Geschäftsanteile an einer deutschen GmbH betroffen sind, sich die Formwirksamkeit des Schuldvertrags auch aus dem Ortsrecht ergeben kann, selbst wenn dieses erheblich geringere Anforderungen an die Form stellt als § 15 Abs. 4 GmbHG. Ggf. wäre dann sogar eine formfreie Vereinbarung des Kaufvertrags wirksam. Probleme ergeben sich allenfalls dann, wenn das am Abschlussort geltende Recht die GmbH nicht kennt. Dann stellt sich das Problem, ob man hier einen Fall der "Formenleere" annimmt, mit der Folge, dass die Formerfordernisse des Gesellschaftsstatuts anzuwenden wären. Richtigerweise ist hier wohl darauf abzustellen, dass das Recht des entsprechenden Staates zumindest den Unternehmenskauf als schuldrechtliches Rechtsgeschäft kennt und daher insoweit auch eine entsprechende Form verlangt oder eben die Formfreiheit vorsieht.
Rz. 120
Teilweise wird die Ansicht vertreten, § 15 Abs. 4 GmbHG beziehe sich ausschließlich auf solche Verträge, die den Verkauf von Anteilen an einer deutschen GmbH beträfen. Diese Vorschriften wollten ausschließlich den freien Handel mit Geschäftsanteilen an einer deutschen GmbH einschränken und seien, von diesem telos ausgehend, auf Verträge über Anteile an ausländischen Gesellschaften nicht anwendbar. § 15 Abs. 4 GmbHG fehle für Anteile an ausländischen Gesellschaften der internationale Geltungswille.
Rz. 121
Diese Auffassung verkennt, dass der internationale Geltungsbereich einer Vorschrift sich nicht aus der materiellen Norm selbst herleitet, sondern aus dem Kollisionsrecht. Für die von den Vertretern dieser Ansicht verfolgte Geltung der Formvorschriften des Gesellschaftsstatuts der Objektgesellschaft fehlt es an einer Verweisungsnorm im deutschen Kollisionsrecht. Insoweit würde es sich um eine freie Rechtsfortbildung handeln, die sich von der lex lata löst.
Rz. 122
Die Ansicht, es könne für die Formwirksamkeit des Kaufvertrags neben dem Vertragsstatut und dem Ortsstatut in einer "erweiternden Auslegung" des Art. 11 EGBGB alternativ das Kaufvertragsrecht des Gesellschaftsstatuts herangezogen werden, entbehrt einer gesetzlichen Grundlage und ist allenfalls de lege ferenda denkbar.
Rz. 123
Allenfalls könnte man überlegen, im Rahmen einer Auslegung des Art. 15 Abs. 4 GmbHG der ausländischen Gesellschaft die Qualifikation als GmbH abzusprechen. Hierbei handelt es sich dann um eine Frage der sog. Qualifikation. Dies dürfte freilich nur dann möglich sein, wenn die ausländische Gesellschaft so stark vom deutschen Modell der GmbH abweicht, dass sie nicht mehr eindeutig der GmbH nahesteht, sondern z.B. auch als Aktiengesellschaft qualifiziert werden könnte. Das ist beispielsweise bei einer s.a.r.l. französischen Rechts oder einer GmbH Schweizer Rechts nicht der Fall, möglicherweise aber bei einer limited company des englischen oder zypriotischen Rechts oder bei einer close corporation kanadischen Rechts, da hier die Anteile verbrieft sind und nach wertpapierrechtlichen Grundsätzen übertragen werden.
Rz. 124
Mithin ist die Beurkundung bei Geltung deutschen Formstatuts immer dann erforderlich, wenn es sich bei der ausländischen Gesellschaft um eine "GmbH i.S.v. § 15 GmbHG" handelt. Möchten die Beteiligten die Beurkundung vermeiden, so können sie das Formerfordernis dadurch umgehen, dass sie für den Kaufvertrag ausdrücklich ein anderes als das deutsche Recht als Vertragsstatut (Art. 3 Rom I-VO) wählen oder den Vertrag im Ausland abschließen, vorausgesetzt, das gewählte Vertragsstatut bzw. das Recht des ausländischen Abschlussortes sieht kein Erfordernis für den Schuldvertrag vor.