Rz. 110
Art. 11 Abs. 1 Fall 2 EGBGB lässt es zur Formwirksamkeit eines Rechtsgeschäfts auch genügen, wenn dieses den Bestimmungen des Rechts des Staates, in dem es vorgenommen wird (Ortsrecht), entsprechend vorgenommen worden ist (Ortsform). Verlangt dieses Recht für die Abtretung von GmbH-Geschäftsanteilen die notarielle Beurkundung, so würde sich die Frage der Gleichwertigkeit (siehe Rdn 105 ff.) notwendigerweise nicht mehr stellen, da mit der vom Ortsrecht verlangten Beurkundung stets die Beurkundung durch die inländischen Notare gemeint sein wird. Lässt dieses Recht für die Abtretung gar eine geringere Form als das Geschäftsstatut ausreichen, so würde dies ebenfalls ausreichen. So war z.B. in der Schweiz bis vor Kurzem für die Abtretung von GmbH-Geschäftsanteilen die notarielle Beurkundung vorgesehen. Seit Inkrafttreten der GmbH-Reform am 1.1.2008 ist die Vornahme in privatschriftlicher Form möglich – wobei die Abtretungsurkunde Informationen enthalten muss.
Rz. 111
Allerdings ist umstritten, ob die Formwirksamkeit aufgrund der Einhaltung des Ortsrechts nach Art. 11 EGBGB auch für die Abtretung von Geschäftsanteilen an einer deutschen GmbH in Frage kommt. Aus der Entstehungsgeschichte des Art. 11 EGBGB im Rahmen der Reform des IPR im Jahre 1986 ergibt sich, dass der damalige Gesetzgeber gesellschaftsrechtliche Fragen nicht mitregeln wollte, sondern davon ausging, dass sich das EGBGB und die in ihm enthaltenen international-privatrechtlichen Kollisionsnormen von vorneherein nicht auf das Recht der Handelsgesellschaften bezögen. Daher hat man einen ausdrücklichen Hinweis für das Gesellschaftsrecht, der ursprünglich vorgesehen war, aus dem Entwurf wieder gestrichen. Die systematische und die historische Auslegung des EGBGB ergeben daher, dass sich die Verweisung auf das Ortsrecht in Art. 11 Abs. 1 Fall 2 EGBGB mangels Anwendbarkeit dieser Regel auf dem Gebiet des Rechts der Kapitalgesellschaften nicht auf die Formwirksamkeit von Abtretungen von Geschäftsanteilen an einer GmbH bezieht.
Rz. 112
Die Rechtsprechung beurteilte diese Frage bislang uneinheitlich. Der BGH hat die Anwendbarkeit des Ortsrechts zwar abstrakt für möglich gehalten, für die konkrete Entscheidung des Falles aber stets offen gelassen und sich stattdessen auf die – erheblich mühseligere und problematische – Prüfung des Geschäftsstatuts und die Gleichwertigkeit der Beurkundung durch den ausländischen Notar zurückgezogen. Auch aus der Rechtsprechung der Obergerichte ist keine Entscheidung bekannt, in der eine Abtretung von Geschäftsanteilen nach einer Ortsform anerkannt wurde, die keine notarielle Beurkundung der Abtretung verlangt. Die Literatur stimmt weit überwiegend zu. Der BGH hat in seiner Entscheidung vom 17.12.2013 interessanterweise die Verweisung auf die Ortsform gar nicht mehr erwähnt. Das ist umso bedeutender, als die Verweisung auf das Schweizer Recht in dieser Entscheidung wegen der dort 2008 eingeleiteten Reform des GmbH-Rechts zum vollständigen Wegfall des Beurkundungserfordernisses geführt hätte. Es scheint also, als ob sich die deutschen Gerichte weiterhin die Option offenhalten wollen, auch bei Auslandsabtretungen zumindest auf einer notariellen Beurkundung der Vereinbarung zu bestehen.
Rz. 113
Sollte man von der Anwendbarkeit des Art. 11 EGBGB ausgehen, so müsste auch Art. 11 Abs. 4 EGBGB beachtet werden. Gemäß Art. 11 Abs. 4 EGBGB ist ein Rechtsgeschäft, das ein Recht an einer Sache begründet oder über ein solches Recht verfügt, nur formgültig, wenn es die Formerfordernisse des Rechts erfüllt, das auf seinen Gegenstand anzuwenden ist. Bei sachenrechtlichen Verfügungen ist also die alternative Geltung des Ortsrechts ausgeschlossen. Diese Vorschrift dürfte auf Verfügungen über Anteile an einer GmbH entsprechend anwendbar sein. Andernfalls würden die Formerfordernisse bei einer Verfügung über Geschäftsanteile an einer GmbH kollisionsrechtlich großzügiger behandelt als bei Inhaberaktien. Die Anwendbarkeit von Art. 11 Abs. 4 EGBGB wird in der Literatur unter Berufung darauf verneint, dass es sich insoweit um eine "eng begrenzte Ausnahmevorschrift" handele, die einer Analogie nicht zugänglich sei. Dagegen ist anzuführen, dass Art. 11 EGBGB im Gesellschaftsrecht ohnehin nicht unmittelbar Anwendung findet. Vielmehr ergibt die historische Auslegung (siehe Rdn 111), dass allenfalls eine entsprechende Anwendung im Gesellschaftsrecht möglich ist. Die "Sperrwirkung" des Ausnahmecharakters kann aber nur dort greifen, wo der unmittelbare Anwendungsbereich der Regelnorm gegeben ist. Außerhalb dieses Anwendungsbereichs ist mit der analogen Anwendung der Regel selbst eine "Ausnahmevorschrift" einer Analogie zugänglich. Insoweit ist daher Art. 11 Abs. 4 EGBGB auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts auch bei Verfügungen über GmbH-Anteile ein Ausschluss der Ortsform zu entnehmen.
Rz. 114
Schließlich versagt die Verweisung auf das Recht am Abschlussort, wenn das dort geltende Recht die Abtretung von Ges...