Rz. 159
Das Gesellschaftsstatut regelt nicht nur die Geburt, sondern auch die Bestattung der Gesellschaft. Aus dem Gesellschaftsstatut ergibt sich also, wie die Liquidation eingeleitet wird, welche Auswirkungen diese auf die Geschäftsführungsbefugnisse der bisherigen Geschäftsführer und die Liquidatoren hat, wie die Gesellschaft abzuwickeln ist und in welchem Zeitpunkt diese beendet ist. Dies betrifft dann z.B. die Löschung der Gesellschaft im Register, die deklaratorischen bzw. konstitutiven Wirkungen der Löschung und schließlich auch die Möglichkeit der Nachtragsliquidation.
Rz. 160
Probleme bereiten in der Praxis immer häufiger ausländische Gesellschaften, die in ihrem Sitzstaat gelöscht worden sind, ohne dass das inländische Vermögen vollständig liquidiert wurde. Diese sind nach dem Gesellschaftsstatut u.U. nicht mehr rechtsfähig. Einige Rechtsordnungen – z.B. das englische Recht – sehen vor, dass die Löschung zum vollständigen Verlust der Rechtsfähigkeit führt und bei der Liquidation "vergessene" Gegenstände daher als bona vacantia, also als herrenloses Vermögen, im Wege eines hoheitlichen Aneignungsrechts dem Staat anheimfallen bzw. auf die Krone übergehen. Ein solches hoheitliches Aneignungsrecht erfasst jedoch die in Deutschland belegenen Rechte aufgrund seiner territorialen Beschränkung nicht. Daher gilt aus deutscher Sicht die ausländische Gesellschaft so lange als fortbestehend ("Restgesellschaft"), wie sie noch Grundstücke, GmbH-Anteile, Forderungen oder sonstiges Vermögen im Inland besitzt.
Rz. 161
Der Brexit freilich stellt keinen solchen Fall dar, denn er führt zu keiner Enteignung der englischen Gesellschaft durch den englischen Staat, sondern zu einem Statutenwechsel, der durch den Austritt des UK aus der EU und dem dadurch veranlassten Wegfall der Niederlassungsfreiheit resultiert. Faktische Inlands-Limiteds sind daher seit dem Brexit nach deutschem Recht zu beurteilen. Eine Löschung durch englischen Registrar of Companies nach diesem Zeitpunkt hat daher aus deutscher Sicht keine rechtliche Bedeutung, sondern könnte allenfalls englische Behörden interessieren.
Rz. 162
Da die Gesellschaft seit Löschung keine gesetzlichen Vertreter mehr hat, wurde früher für das im Inland belegene Vermögen gem. §§ 1911, 1913 BGB ein Pfleger bestellt. Gemäß Art. 24 Abs. 2 EGBGB unterliegt die Pflegschaft dem Recht, das für die Angelegenheit, für die die Pflegschaft erforderlich ist, maßgebend ist – bei im Inland belegenem Vermögen (Art. 43 Abs. 1 EGBGB) oder Anteilen an einer inländischen Gesellschaft also dem deutschen Recht. Gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZustErgG konnte für eine juristische Person von Amts wegen ein Abwesenheitspfleger bestellt werden, wenn Vermögensangelegenheiten im Inland zu erledigen sind und die Verbindung mit den zur Vertretung berechtigten Personen der Gesellschaft in einer Weise erschwert ist, dass die Vermögensangelegenheiten der Gesellschaft nicht ordnungsgemäß besorgt werden können. Freilich ist diese Möglichkeit nun entfallen, nachdem die Regelung des ZustErgG aufgehoben worden ist. Daher geht man mittlerweile in der Weise vor, dass die Gesellschaft als Liquidationsgesellschaft deutschen Rechts behandelt wird und durch die deutschen Gerichte im Rahmen einer "Nachtragsliquidation" gem. § 66 Abs. 5 S. 2 GmbHG ein Nachtragsliquidator bestellt wird.