Rz. 42
Der Gesetzgeber räumt dem Verbraucher zunehmend pauschalierte Ansprüche ein, wenn Unternehmen Ihre Leistungspflichten nicht erfüllen. Nicht selten sind diese europäisch initiiert, wie etwa die Ansprüche nach der Fluggastrechteverordnung. In vielen anderen Bereichen erachtet der Bundesgerichtshof Gebührenansprüche von Unternehmen, etwa Banken, für unbegründet, was zu bereicherungsrechtlichen Rückforderungsansprüchen des Verbrauchers führt. Letztlich können gesetzgeberische Maßnahmen, wie etwa die verschiedenen Regelungen zur Mietpreisbremse zu solchen Rückforderungsansprüchen führen.
Rz. 43
Allerdings lässt sich in der Praxis feststellen, dass die Verbraucher isoliert solche Ansprüche kaum verfolgt haben. Vor diesem Hintergrund sieht der BGH das Sammelklagen-Inkasso sehr viel zielführender an, als wenn der Verbraucher ganz auf die Durchsetzung seiner Rechte verzichtet. Zur Ehrlichkeit der Rechtsanwälte wird gehören, dass die Rechtsanwaltschaft bisher die Verfolgung solcher Ansprüche wegen der geringen Streitwerte nicht als besonders attraktiv empfunden hat und die Einziehung solcher Forderungen durch Inkassodienstleister eher jenseits der Legalität agierende "Wirtschaftsunternehmen", als die Rechtsanwälte im Wettbewerb beeinträchtigt.
Rz. 44
Auf dieser tatsächlichen und rechtlichen Grundlage haben sich Legal-Tech-Unternehmen als Inkassodienstleister der Aufgabe angenommen, solche Verbraucheransprüche zu bündeln und gegenüber den Unternehmen geltend zu machen. Inkassodienstleister erscheinen hier also als neue Verbraucherschützer. Versuche der leistungspflichtigen oder rückzahlungspflichtigen Unternehmen, dem durch Abtretungsverbote in AGB entgegenzutreten, hat der Gesetzgeber mit dem Gesetz über faire Verbraucherverträge einen Riegel vorgeschoben. Es ist deshalb zu erwarten, dass dieses Tätigkeitsfeld eher noch wachsen wird. Gesellschaftlich kann dies nur begrüßt werden, weil es in der Risikobetrachtung von Wirtschaftsunternehmen auch einen Anreiz schafft, sich im Wettbewerb nicht unlauter zu verhalten.
Rz. 45
In der Instanzrechtsprechung ist allerdings nachhaltig in Zweifel gezogen worden, ob es sich bei der Geltendmachung dieser Forderungen noch um Inkassodienstleistungen handelt und deshalb die zugrundeliegenden Inkassoverträge überhaupt wirksam sind (§ 134 BGB). Hintergrund ist die Überlegung, dass solche Ansprüche einerseits Voraussetzungen haben, die herzustellen sind, bevor ein Zahlungsanspruch besteht, andererseits dass die Ansprüche häufig dem Grunde wie der Höhe nach streitig sein können. Der BGH ist dem entgegengetreten und hat sich ausführlich mit den Fragen auseinandergesetzt. Im Ergebnis ist zu unterscheiden:
▪ |
Dem Inkassodienstleister wird eine Erlaubnis erteilt, fremde oder zur Einziehung auf fremde Rechnung abgetretene Forderung einzuziehen. |
▪ |
Auf der Grundlage dieser Erlaubnis ist es dem Inkassodienstleister gemäß §§ 3, 10 RDG gestattet, sowohl Inkasso- als auch Rechtsdienstleistungen zu erbringen. |
Es ist also zwischen dem Inkassodienstleister als Erlaubnisträger und den vom ihm dann wahrgenommenen Aufgaben, der Rechts- und /oder Inkassodienstleistung zu unterscheiden. Die berufsrechtliche Beschränkung des Inkassodienstleisters liegt also darin, dass er fremde Rechtsangelegenheiten nur insoweit besorgen darf, wie es um den Auftrag zum Einzug von Forderungen geht. Eine weitergehende Beschränkung sehen § 10 Abs. 1 Nr. 1, 3 RDG nicht vor. Innerhalb dieser berufsrechtlichen Erlaubnis kann er dann einerseits Inkassodienstleistungen und andererseits aber auch Rechtsdienstleistungen erbringen.
Rz. 46
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes ist dem VIII. Zivilsenat in dieser Sichtweise gefolgt, hat Sie untermauert und vertieft. Auch wenn von vornherein zu vermuten sei, dass eine außergerichtliche Forderungseinziehung nicht gelingen wird, mithin ein Geschäftsmodell sogar vorrangig auf eine gerichtliche Geltendmachung der Forderung gerichtet sei, liege noch eine dem Inkassodienstleister erlaubte Rechtsdienstleistung vor. Die Abgrenzung sucht der BGH hier auf der Ebene der Postulationsfähigkeit. Der Inkassodienstleister muss die Kooperation mit dem Rechtsanwalt suchen, wo seine Handlungsmöglichkeiten in gerichtlichen Verfahren nach § 79 Abs. 2 S. 2 Nr. 4 ZPO und §§ 174, 305 InsO beschränkt sind. Richtigerweise sieht der BGH, dass es Inkassodienstleistern auch nicht verwehrt ist (fiduziarisch) abgetretene Forderungen im eigenen Namen und auf eigene Rechnung im gerichtlichen Verfahren geltend zu machen, soweit Sie damit nur Rechtsanwälte beauftragen. Wenn es dem registrierten Inkassodienstleister also erlaubt ist, die Forderung gerichtlich geltend zu machen, sofern er damit einen Rechtsanwalt beauftragt, so kann ihm auch nicht verwehrt werden, dass er sich in einem Inkassodienstleistungsvertrag hier zu verpflichtet.
Rz. 47
Sieht der BGH schon auf einfachgesetzlicher Ebene, gemessen an den Schutzzwecken des Rechtsdienstleistungsgesetzes, wie sie in § ...