Rz. 82
Für Verbraucher wurden in den vergangenen Jahren Entschädigungsansprüche etwa bei Verspätungen von Flugzeugen oder Zügen, aber auch bei Datenschutzverstößen geschaffen. Auch werden Verbraucher mit Gebühren und Entgelten überzogen, die sich im weiteren Verlauf als unzulässig herausstellen und in Folge dessen dann Bereicherungsansprüche begründet werden. Den Ansprüchen ist gemeinsam, dass sie der Höhe nach überschaubar sind. Das führt wiederrum dazu, dass Verbraucher diese – zumal gegenüber großen Unternehmen – nicht geltend machen. Sie scheuen das Risiko und fürchten eigene Nachteile.
Rz. 83
Um dem zu begegnen, bieten in den letzten Jahren neu gegründete registrierte Inkassodienstleister Verbrauchern ihre Leistungen zum Einzug sowohl als Servicedienstleister wie auch im Forderungskauf an. Um die Forderungen zu erfassen, bedienen sie sich regelmäßig digitaler Plattformen, weshalb auch von Legal-Tech-Unternehmen gesprochen wird. Da die Forderungen nicht selten (auch) streitig sind oder werden, kooperieren sie mit Rechtsanwälten.
Rz. 84
In diesem Zuge ist ein intensiver Streit entbrannt, ob diese Dienstleistungen noch von der Inkassoerlaubnis getragen sind. Es wird eingewandt, das Geschäftsmodell dieser Unternehmen sei von der aufgrund der Registrierung nach § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 RDG erteilten Erlaubnis, Inkassodienstleistungen zu erbringen, nicht gedeckt. Nach § 2 Abs. 2 S. 1 RDG sei dem Inkassodienstleister zwar gestattet, in gewissem Umfang Rechtsberatung zu leisten, dies jedoch nur als Nebenleistung in Bezug auf eine einzuziehende, bereits entstandene Forderung. Demgegenüber liege der Schwerpunkt des Geschäftsmodells der Unternehmen im Bereich der Rechtsberatung mit angeschlossener Inkassodienstleistung, nicht hingegen primär auf letzterem Gebiet. Der VIII. Zivilsenat des BGH ist dem in drei Leitentscheidungen dezidiert entgegengetreten. Der II. Zivilsenat hat dies aufgenommen und weiterentwickelt. Er hat sich der Gegenauffassung angeschlossen, wonach das Rechtsdienstleistungsgesetz der Zulässigkeit von sogenannten Sammelklagen bzw. einem "Masseninkasso" nicht entgegen. Es sei vielmehr anerkannt, dass Inkassodienstleister Forderungen auch gerichtlich geltend machen dürften, sofern sie sich eines Rechtsanwalts bedienten. Ob sie dies im Einzelfall oder im Wege einer sogenannten "Sammelklage" täten, sei kein entscheidender Gesichtspunkt. Der Inkassobegriff der § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 2 Abs. 2 S. 1 RDG umfasst – so der BGH – auch Geschäftsmodelle, die ausschließlich oder vorrangig auf eine gerichtliche Einziehung der Forderung abzielen. Dies gilt auch im Fall des sogenannten "Sammelklage-Inkasso".
Rz. 85
Vor diesem Hintergrund erschließt sich, dass zu unterscheiden ist: Die Tätigkeit als Inkassodienstleister zielt auf die Einziehung von fremden oder zur Einziehung auf fremde Rechnung abgetretener Geldforderungen, was von der Tätigkeit des Rechtsanwaltes abzugrenzen ist, der umfassend in fremden Angelegenheiten tätig wird. Auf dieser Grundlage wird der Inkassodienstleister registriert. Er erbringt dann aufgrund der Registrierung sowohl Inkassodienstleistungen, die sich als Einziehung unstreitiger Forderungen ohne erforderliche konkrete Rechtsprüfung in Einzelfall darstellt, und Rechtsdienstleistungen, die die Rechtsprüfung im konkreten Einzelfall wie die argumentative und normative rechtliche Begründung des Anspruches bis hin zu dessen streitiger Durchsetzung umfasst.