In Rechtsprechung und Literatur ist lange erkannt, dass auch der Rechtsanwalt "tagtäglich" unbegründete Klagen erhebt und damit unbegründete Forderungen geltend macht. Der AnwGH Hamm schreibt dazu: "Allerdings ist allein der Umstand, dass ein Anwalt eine nicht bestehende Forderung geltend macht oder eine bestehende Forderung bestreitet, für sich genommen noch nicht berufsrechtswidrig. Selbst wenn der Anwalt damit rechnet, dass die von ihm geltend gemachte Forderung nicht besteht, dürfte dies letztlich nicht zu beanstanden sein." Dem ist zuzustimmen. Es ist dem Zivilprozess immanent, dass entweder die Rechtsverfolgung oder die Rechtsverteidigung nicht berechtigt erfolgt. Der Klage wird nämlich entweder stattgegeben, so dass die Rechtsverteidigung unberechtigt war oder die Klage wird abgewiesen, so dass die Rechtsverfolgung ohne Grundlage geblieben ist. Niemand wird aus diesen Fällen ableiten wollen, dass der die unberechtigte Forderung verfolgende Rechtsanwalt unseriös gehandelt hat.
Es geht nicht um solche Konstellationen, sondern um Fälle, in denen ganz bewusst und gewerbsmäßig nicht bestehende Forderungen geltend gemacht werden und in denen unerheblich ist, ob ein Rechtsanwalt, ein Inkassodienstleister oder der vermeintliche Gläubiger agiert. Vor diesem Hintergrund relativieren sich Zahlen von Verbraucherschutzverbänden, nach denen in 2.000 bis 4.000 Fällen Bedenken gegen die Berechtigung einer Forderung bestehen, wenn im gewerblichen Inkasso jährlich nahezu 20 Mio. Forderungen verfolgt werden. Es geht dann um weniger als 0,1 % aller Fälle. Liegt dies nicht im Rahmen der menschlichen Fehlertoleranz, sondern handelt es sich um die versuchte Einziehung unberechtigter Forderungen, gehören diese Fälle zu den Staatsanwaltschaften, damit diese die verfolgen. Dass dies nicht geschieht, mag seinen Grund darin haben, dass viele Schuldner die gegen sie geltend gemachte Forderung unberechtigt als nicht begründet ansehen. Dass ein Schuldner eine Forderung für unberechtigt hält, bedeutet nicht, dass sie auch objektiv unbegründet ist. Wer gibt schon gerne zu, eine fortgesetzte Pflichtverletzung zu begehen und begründete Forderungen nicht zu bezahlen. Die Begründetheit festzustellen, obliegt den Gerichten. Die Darlegungs- und Beweislast für die Begründetheit liegt bei dem Gläubiger. Zahlt der Schuldner nicht, bedarf es nur eines "Kreuzchens" im gerichtlichen Mahnverfahren, um über den Widerspruch diese Klärung herbeizuführen.
Ist die Forderung tatsächlich betrügerisch, wird noch zu unterscheiden sein, ob der einziehende Rechtsdienstleister Mittäter ist oder seinerseits von dem vermeintlichen Gläubiger der unberechtigten Forderung getäuscht, d.h. als Werkzeug benutzt wurde.
Es ist auch kein Skandal...