1. Die erste Reform des Rechtsdienstleistungsgesetzes
Rz. 97
Die erste umfassende Reform des Rechtsdienstleistungsrechtes hat im Jahre 2013 stattgefunden. Vor dem Hintergrund, dass die Diskussion um die Wertigkeit von Inkassodienstleistungen noch nicht beendet ist, lohnt es weiterhin hierauf einen Blick zu werfen.
Ziel des Gesetzes gegen unseriöse Geschäftspraktiken war die Bekämpfung unseriöser Geschäftspraktiken, für den Teilregelungsbereich der registrierten Inkassodienstleister (IKU) durch verstärkte Transparenzregelungen, einen verschärften Sanktionskatalog bei Gesetzesverstößen und die Regulierung der Erstattungsfähigkeit vorgerichtlicher Inkassokosten für alle Rechtsdienstleister (Verringerung finanzieller Anreize) sowie die Einführung einer Verordnungsermächtigung nach der das Bundesministerium der Justiz verbindliche streitwertunabhängige Inkassoregelsätze festlegen können sollte.
Regelungsanlass war aus Sicht des Gesetzgebers die Inanspruchnahme von Privatpersonen im Rahmen der Erbringung von Inkassodienstleistungen, obwohl sie keine oder nur geringfügige Rechtsverstöße begangen haben, und die dabei entstehenden, als nicht geschuldet oder unangemessen angesehenen, Kosten.
Hinweis
Hier stellt sich schon die Frage, was ein "geringfügiger Rechtsverstoß" sein soll, wenn eine vertragliche Pflichtverletzung im Sinne der §§ 280, 286 BGB vorliegt, weil die vertraglich geschuldete Gegenleistung im Zeitpunkt der Fälligkeit, des Verzugseintrittes und danach nicht erbracht wird. Soll es tatsächlich einen privilegierenden Tatbestand erfüllen, wenn die offene Forderung 50 EUR statt 100 EUR, oder 100 EUR statt 500 EUR oder 500 EUR statt 1.000 EUR beträgt? Und wo soll eine sachlich zu begründende Grenze liegen? Der unterschiedlichen Forderungshöhe hat der Gesetzgeber in allen Kostengesetzen schon durch Wertgebühren und unterschiedliche Wertgrenzen Rechnung getragen. Die Höhe der Rechtsverfolgungskosten sind keine "Strafe" für die Pflichtverletzung, sondern repräsentieren den Aufwand für deren Beseitigung.
2. Eigenständige Vergütungsregelung
Rz. 98
Das Gesetzes gegen unseriöse Geschäftspraktiken sah in § 4 Abs. 5 RDGEG die Ermächtigung des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz vor, mit Zustimmung des Bundestages eine Verordnung mit wertunabhängigen Inkassoregelsätzen für die vorgerichtliche Forderungseinziehung zu erlassen, wobei die Festgebühren je Inkassomaßnahme ausgewiesen werden dürfen. Dabei sollte eine Differenzierung zwischen dem ersten Mahnschreiben und bei mehr als 100 gleichartigen Forderungen (Masseninkasso) pro Monat möglich sein. Weitere Vorgaben, insbesondere zur Höhe der Vergütung oder rechtstatsächlichen Untersuchungen hierzu fanden sich im Gesetzestext nicht. Dass die Verordnungsermächtigung verfassungswidrig war, ist auch vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz zeitnah erkannt worden. Folgerichtig wurde eine solche Verordnung in der Folgezeit weder vorgeschlagen noch tatsächlich in Kraft gesetzt.
Der Gesetzgeber schlug daher vor, die Sätze 2 und 3 des Abs. 5 in § 4 RDGEG zu streichen und führte in diesem Zusammenhang in der Begründung zur Streichung der "Verordnungsermächtigung" durch Art. 8 Ziff. 2 im Entwurf des Gesetzes zur Umsetzung der Berufsanerkennungsrichtlinie und zur Änderung weiterer Vorschriften im Bereich der rechtsberatenden Berufe – in bemerkenswerter Offenheit – aus, dass sich Inkassodienstdienstleistungen, die von Inkassodienstleistern erbracht werden, "..nicht von Inkassodienstleistungen [unterscheiden], die Rechtsanwälte erbringen. Deshalb gelten […] die Gebühren nach dem RVG gleichermaßen als Obergrenze sowohl für das anwaltliche als auch für das nichtanwaltliche Inkasso." Diesem Vorschlag folgend, wurde die Streichung der "Verordnungsermächtigung" in § 4 Abs. 5 RDGEG vom Deutschen Bundestag am 12.5.2017 beschlossen und ist seit dem 18.5.2017 in Kraft. Mit der zutreffenden Ansicht, dass eine Ungleichbehandlung von Rechtsanwälten und Inkassodienstleistern bei der Erbringung von Inkassodienstleistungen verfassungsrechtlich nicht in Betracht kommt, dürfte auch neueren Überlegungen zu einem Inkassovergütungsgesetz die Grundlage entzogen sein.
3. Unseriöses Inkasso
Rz. 99
In der öffentlichen Diskussion wird nicht immer strikt getrennt, ob unseriöse Inkassodienstleistungen bekämpft oder seriöse Inkassodienstleistungen (weiter) reguliert werden sollen. Das Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken war schon in seiner Bezeichnung irreführend, weil es nicht nur unseriöse Geschäftspraktiken erfasst, sondern auch die Tätigkeit seriöser Rechtsanwälte und seriöser Inkassodienstleister, die jedenfalls bei Auftragserteilung im wesentlichen unstreitige Forderungen bei zahlungsunwilligen, derzeit nicht erreichbaren oder – was im Einzelfall zunächst mit der vorgerichtlichen...