Rz. 1

Das gesetzliche Pflichtteilsrecht soll den nächsten Angehörigen des Verstorbenen einen Mindestwert am Nachlass sichern, den der Erblasser grundsätzlich einseitig nicht beseitigen kann, soweit nicht ausnahmsweise Gründe für eine Pflichtteilsentziehung oder Pflichtteilsunwürdigkeit vorliegen (§§ 2333 ff., 2345 Abs. 2 BGB). Dies geschieht nach dem BGB aber nur durch einen Geldanspruch, nicht durch ein echtes Noterbrecht wie in den Ländern des romanischen Rechtskreises.[1] Das Pflichtteilsrecht beschränkt daher die Testierfreiheit und versucht einen Ausgleich zwischen dieser und der Familiengebundenheit des Vermögens zu schaffen.[2] Es hat Erbersatzfunktion für die durch Verfügung von Todes wegen übergangenen nächsten Angehörigen.

 

Rz. 2

Checkliste: Pflichtteil – Überblick[3]

1. Besteht ein ordentlicher Pflichtteilsanspruch dem Grunde nach?
a) Feststellung des Pflichtteilsberechtigten (vgl. § 2 Rdn 2 ff.)
nur Abkömmlinge, Ehegatten/eingetragene Lebenspartner, u.U. auch Eltern
Enterbung (vgl. § 3 Rdn 1 ff.)?
Konkurrenzverhältnis mehrerer Pflichtteilsberechtigter nach § 2309 BGB prüfen (vgl. § 2 Rdn 34 ff.)
besteht ein wirksamer Erb- oder Pflichtteilsverzicht (vgl. § 11 Rdn 5 ff.)?

Ausschlagung der Erbschaft? Grundregel: führt i.d.R zum Verlust des Pflichtteils (vgl. § 3 Rdn 1 ff.), außer

Erbschaft belastet oder beschwert i.S.v. § 2306 BGB
beim Pflichtteil des Ehegatten bei Zugewinngemeinschaft
dass Pflichtteilsrestanspruch nach § 2305 BGB bestehen bleibt
Besonderheiten bei der Ausschlagung eines Vermächtnisses (vgl. § 4 Rdn 14 ff.)
Erb- oder Pflichtteilsunwürdigkeitserklärung (vgl. § 8 Rdn 1 ff.)
Annahme als Kind – Besonderheiten bei "schwachen Wirkungen" bei der Volljährigenadoption; bei älteren Adoptionen vor 1977 Übergangsrecht beachten (vgl. § 2 Rdn 24)
Scheidung beantragt oder zugestimmt? Erbrechtsausschluss nach § 1933 BGB beachten
b) Feststellung der für die Pflichtteilsberechnung maßgeblichen Erbquote
insb. Prüfung des Güterstands der Ehegatten/eingetragenen Lebenspartner (vgl. § 3 Rdn 44 ff.)
Wahlrecht des Ehegatten/eingetragenen Lebenspartners nach § 1371 Abs. 2 und 3 BGB
Erbverzicht eines anderen Pflichtteilsberechtigten (§ 2310 S. 2 BGB; vgl. § 3 Rdn 64)
2. Höhe des Pflichtteils (vgl. § 5 Rdn 1 ff.)
Feststellung des Aktiv- und Passivbestandes des Nachlasses (vgl. § 5 Rdn 17 ff.)
Ermittlung des Nachlasswertes (§§ 2311, 2312 BGB; vgl. § 5 Rdn 57 ff.)
Stichtagsprinzip (vgl. § 5 Rdn 8 ff.)
Wertbestimmungen des Erblassers unbeachtlich, Ausnahme im Rahmen des Landgüterprivilegs und wenn entsprechender Pflichtteilsverzicht oder Pflichtteilsentziehung vorliegt (vgl. § 5 Rdn 232 ff.)
3. Pflichtteilsrestanspruch
Pflichtteilsrestanspruch bei einer Erbeinsetzung, § 2305 BGB (vgl. § 4 Rdn 3 ff.)
Pflichtteilsrestanspruch bei Zuwendung eines Vermächtnisses (vgl. § 4 Rdn 14 ff.)
4. Einwendungen, Einreden
Verjährung, es gilt grundsätzliches allgemeines Verjährungsrecht, also die Regelverjährung des § 195 BGB mit dem Verjährungsbeginn nach § 199 BGB (vgl. § 14 Rdn 295 ff.); lediglich für den Pflichtteilsergänzungsanspruch gegen den Beschenkten gilt die Sonderregelung des § 2332 BGB
Hemmung der Verjährung, insb. § 203 BGB, oder Neubeginn der Verjährung (§ 212 BGB, vgl. § 14 Rdn 312 ff.)
die Einrede der Dürftigkeit des Nachlasses nach § 1990 BGB (vgl. § 14 Rdn 333 ff.)
die Einrede des pflichtteilsberechtigten Erben nach § 2319 BGB (vgl. § 2 Rdn 60 ff., § 14 Rdn 342 ff.)
wirksame Pflichtteilsentziehung nach §§ 2333 ff. BGB (vgl. § 8 Rdn 25 ff.)
Aufrechnung gegen den Pflichtteilsanspruch (vgl. § 14 Rdn 348)
5. Anrechnung und Ausgleichung (vgl. § 6 Rdn 1 ff., § 11 Rdn 61 ff.)
Lagen beweisbare lebzeitige Zuwendungen des Erblassers vor?
enger Erblasserbegriff: Zuwendung muss direkt vom Erblasser stammen, zumindest bei der Pflichtteilsanrechnung (vgl. § 11 Rdn 87 ff.)
Zuwendung muss an den Pflichtteilsberechtigten selbst erfolgen (vgl. § 11 Rdn 90 f.)

nach § 2050 BGB ausgleichungspflichtige Zuwendung, die sich nach § 2316 BGB auch auf Pflichtteil auswirkt (vgl. § 11 Rdn 102 ff.)?

kraft Gesetzes ausgleichspflichtig: Ausstattung gem. § 1624 BGB (§ 2050 Abs. 1 BGB) oder Übermaßzuschüsse nach § 2050 Abs. 2 BGB
Ausgleichungsanordnung nach § 2050 Abs. 3 BGB
Anrechnung auf den Pflichtteil nach § 2315 BGB – Anrechnungsbestimmung spätestens bei der Zuwendung erforderlich (vgl. § 11 Rdn 75 ff.)
6. Pflichtteilsergänzungsanspruch nach § 2325 BGB (vgl. § 7 Rdn 1 ff.)
a) Feststellung des Nachlasswertes
Realnachlass vermehrt um die Summe aller ergänzungspflichtigen Zuwendungen (vgl. § 7 Rdn 137 ff.)

Vorliegen einer Schenkung (vgl. § 7 Rdn 11 ff.)

bei gemischten Schenkungen oder Schenkung unter Auflage sind die Gegenleistungen oder der Wert der Auflage in Abzug zu bringen (vgl. § 7 Rdn 28 ff.)
Besonderheiten zur Abzugsfähigkeit des Nießbrauchs und des Wohnungsrechts (vgl. § 7 Rdn 112 ff.)
bei nicht verbrauchbaren Sachen: Niederstwertprinzip (§ 2325 Abs. 2 BGB) beachten...

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