I. Pflichtteilsberechtigte

 

Rz. 11

Mit den Abkömmlingen, den Eltern, dem Ehegatten des Erblassers oder seinem eingetragenen Lebenspartner sind nur seine nächsten Angehörigen pflichtteilsberechtigt (siehe § 2 Rdn 2 ff.). Die Reihenfolge der Pflichtteilsberechtigten bestimmt sich zwischen den Abkömmlingen und den Eltern nach § 2309 BGB. Andere Verwandte, wie Geschwister, Großeltern, Neffen, sind nicht pflichtteilsberechtigt.

 

Rz. 12

Voraussetzung des Pflichtteilsrechts ist ein bestehendes gesetzliches Erbrecht des Berechtigten (Ersatzfunktion des Pflichtteilsrechts), das nur deshalb nicht eintritt, weil es durch Verfügung von Todes wegen (Testament, Erbvertrag) ausgeschlossen wurde und zwar durch ausdrückliche oder stillschweigende Enterbung (§ 1938 BGB).[28] Auch der Ersatzerbe ist in diesem Sinne enterbt, wenn er nicht zur Erbfolge gelangt;[29] beim Berliner Testament (§ 2269 BGB) sind durch die gegenseitige Erbeinsetzung der Ehegatten die Abkömmlinge im ersten Erbfall enterbt, mögen sie nach dem Tod beider Eltern auch die Schlusserben sein.[30] Der Pflichtteilsberechtigung steht aber entgegen, weil hier der Ausschluss von der Erbfolge nicht auf einer Verfügung von Todes wegen beruht:

die Erklärung der Erb- und Pflichtteilsunwürdigkeit (§§ 2344, 2345 BGB);
der vorbehaltlose Erbverzicht oder ein Pflichtteilsverzicht (§ 2346 Abs. 2 BGB); beide Verzichte können gegen die Abkömmlinge wirken (§ 2349 BGB);
die wirksame Pflichtteilsentziehung (§§ 2333 bis 2337 BGB);
bei Ehegatten: Ehescheidungsverfahren oder Eheaufhebungsverfahren (§ 1933 BGB);
bei eingetragenen Lebenspartnern (§ 1 LPartG):[31] die Aufhebung der Lebenspartnerschaft (§ 15 LPartG) oder die entsprechenden Vorwirkungen hierfür (§ 10 Abs. 3 LPartG);
ein vor dem 1.4.1998 wirksam zustande gekommener vorzeitiger Erbausgleich (§ 1934e BGB, Art. 227 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB).
 

Rz. 13

Als weitere Grundregel ist stets zu beachten, dass bei Ausschlagung der Erbschaft ebenfalls der ordentliche Pflichtteil (anders der Pflichtteilsergänzungsanspruch, vgl. § 7 Rdn 5) entfällt, es sei denn, es greift einer der folgenden Ausnahmefälle ein:

der Pflichtteilsrestanspruch nach § 2305 BGB bleibt trotz der Ausschlagung immer bestehen;
wenn ein beschränkter oder beschwerter Erbteil hinterlassen (§ 2306 Abs. 1 BGB)[32] oder der Pflichtteilsberechtigte nur als Nacherbe eingesetzt wird (§ 2306 Abs. 2 BGB);
bei der Zugewinngemeinschaft von Ehegatten und eingetragenen Lebenspartnern, wenn es zur sog. güterrechtlichen Lösung (siehe Rdn 21 ff.) kommt (§ 1371 Abs. 3 BGB, § 6 S. 2 LPartG).
[28] Eingehend zu diesen Fragen siehe § 2 Rdn 59 ff.
[29] Staudinger/Otte, § 2303 Rn 32.
[30] Staudinger/Otte, § 2303 Rn 35; vgl. auch BGHZ 88, 102 = NJW 1983, 2875.
[31] Aufgrund Art. 3 Abs. 3 des Gesetzes zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts (BGBl I 2017, 2787) ist seit dem 1.10.2017 die Begründung einer neuen Lebenspartnerschaft nicht mehr erlaubt. Nach § 20a LPartG können die bisherigen Lebenspartner die Umwandlung ihrer eingetragenen Lebenspartnerschaft in eine Ehe beantragen.
[32] Zu den Altfällen, wenn der Erbfall vor dem 1.1.2010 eintrat, siehe die Differenzierung nach § 2306 Abs. 1 S. 1 und S. 2 BGB a.F.

II. Höhe des Pflichtteils

1. Allgemeines

 

Rz. 14

Der Pflichtteilsberechtigte hat einen Anspruch in Höhe der Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils (§ 2303 Abs. 1 S. 2 BGB). Der Anspruch wird somit durch zwei Faktoren bestimmt:[33]

durch die quotenmäßige Höhe des Pflichtteilsanspruchs (Pflichtteilsbruchteil) und
durch den Wert und Bestand des Nachlasses, für den die §§ 2311 ff. BGB gelten.
[33] Palandt/Weidlich, § 2303 Rn 13.

2. Pflichtteilsbruchteil im Regelfall

 

Rz. 15

Die Berechnung der Pflichtteilsquote ist für jeden Pflichtteilsberechtigten gesondert vorzunehmen.[34] Dabei ist abstrakt von den Regeln der gesetzlichen Erbfolge auszugehen (§§ 1924 ff. BGB), jedoch modifiziert durch § 2310 BGB.

[34] Palandt/Weidlich, § 2303 Rn 13.

3. Pflichtteil und Güterstand

a) Die Güterstandsabhängigkeit des Pflichtteils

 

Rz. 16

Da bei Versterben eines Ehegatten/eingetragenen Lebenspartners sich das Erbrecht in Abhängigkeit vom Güterstand des Verstorbenen bestimmt (§ 1371 Abs. 1 BGB, § 6 S. 2 LPartG), variiert insoweit die Pflichtteilsquote der Pflichtteilsberechtigten je nachdem, welcher Güterstand bestand. Siehe dazu auch die Tabelle nach § 3 Rdn 53.

 

Praxishinweis

Die Abhängigkeit der Erb- und Pflichtteilsquoten vom Güterstand hat nicht nur Auswirkungen für den überlebenden Ehegatten/Lebenspartner, sondern auch auf die Pflichtteilsquote der anderen Pflichtteilsberechtigten ("Fernwirkung").

 

Rz. 17

Soweit ein überlebender Ehegatte/Lebenspartner vorhanden ist, muss mithin stets ermittelt werden, welcher Güterstand im Zeitpunkt des Erbfalls galt. Die Änderung des Güterstands beruht i.d.R. auf einem notariell beurkundeten Ehevertrag.

b) Gütergemeinschaft

 

Rz. 18

Bestand Gütergemeinschaft (§§ 1415 ff. BGB), so beträgt der Pflichtteil des überlebenden Ehegatten neben Abkömmlingen ⅛ (§ 1931 Abs. 1 S. 1 BGB), neben den Verwandten der zweiten Erbordnung oder Großeltern ¼.[35] Zu beachten ist, dass hier verschiedene Vermögensmassen bestehen: Am Gesamtgut sind beide Eh...

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