Dr. iur. Nikolas Hölscher
Rz. 22
Der Güterstand der Wahl-Zugewinngemeinschaft wurde durch das Abkommen vom 4.2.2010 über den Güterstand der Wahl-Zugewinngemeinschaft zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik geschaffen. Das Abkommen wurde in § 1519 S. 1 BGB in das BGB integriert. Der Güterstand gleicht in familienrechtlicher Hinsicht in weiten Teilen dem gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft. In erbrechtlicher Hinsicht bestehen zwischen der Wahl-Zugewinngemeinschaft und der Zugewinngemeinschaft jedoch gravierende Unterschiede:
Rz. 23
Bei der Wahl-Zugewinngemeinschaft endet der Güterstand nach Art. 7 WahlZugAbk mit dem Tod eines Ehegatten. Eine pauschale Erhöhung des gesetzlichen Erbrechts um ¼, wie sie in § 1371 Abs. 1 BGB für die Zugewinngemeinschaft normiert wurde, existiert für die Wahl-Zugewinngemeinschaft nicht. Das Ehegattenerbrecht beläuft sich mithin neben Verwandten der ersten Erbordnung auf ¼ und neben Verwandten der zweiten Erbordnung auf ½ (§ 1931 Abs. 1 S. 1 BGB). Die Pflichtteilsquote des Ehegatten beläuft sich neben Abkömmlingen auf ⅛ und neben Verwandten der zweiten Erbordnung auf ¼.
Rz. 24
Der Zugewinn wird bei der Wahl-Zugewinngemeinschaft neben dem gesetzlichen Erbrecht ausschließlich rechnerisch ausgeglichen. Hat der längerlebende Ehegatte den geringeren Zugewinn erzielt, so steht ihm unstreitig der rechnerische Zugewinnausgleich zu. Ob die Rechtslage im umgekehrten Fall genauso klar ist, wird vereinzelt in Frage gestellt. Ganz überwiegend wird jedoch angenommen, dass ein rechnerischer Zugewinnausgleichsanspruch auch in den Nachlass des zuerst versterbenden Ehegatten fällt. Das ist zutreffend. Denn nach Art. 12 Abs. 3 WahlZugAbk ist die Zugewinnausgleichsforderung nach Beendigung des Güterstands ausdrücklich vererblich.
Rz. 25
Praxishinweis
Die Wahl-Zugewinngemeinschaft ermöglicht es Ehegatten, den Zugewinnausgleich – an § 1371 Abs. 2 BGB vorbei – güterrechtlich durchzuführen. Dem überlebenden Ehegatten steht der rechnerische Zugewinnausgleich – anders als nach § 1371 Abs. 3 BGB – auch dann zu, wenn er Erbe wird und die Erbschaft nicht ausschlägt.
Rz. 26
Die Ausgleichsforderung ist eine Nachlassverbindlichkeit i.S.d. § 2311 BGB; sie ist vor der Berechnung des Pflichtteils vom Nachlass abzusetzen, und zwar auch dann, wenn der ausgleichsberechtigte Ehegatte Alleinerbe wird und die Ausgleichsforderung durch Konfusion erlischt.
Rz. 27
In bestimmten Konstellationen lässt sich vor diesem Hintergrund über die Vereinbarung der Wahl-Zugewinngemeinschaft im Vergleich zum gesetzlichen Güterstand eine Pflichtteilsreduzierung erreichen.
Beispiel
A und B sind in Wahl-Zugewinngemeinschaft verheiratet und haben einen Sohn S. Rechnerisch ergibt sich zugunsten der B ein Zugewinnausgleichsanspruch i.H.v. 300.000 EUR. Das Gesamtvermögen von A beläuft sich auf 600.000 EUR. A setzt B testamentarisch zu seiner Alleinerbin ein. Es ergibt sich folgende Pflichtteilsberechnung:
Gesetzliches Erbrecht von B aus § 1931 Abs. 1 S. 1 BGB = ¼.
Gesetzliches Erbrecht von S aus § 1924 Abs. 1 BGB = ¾.
Pflichtteilsquote von S nach § 2303 BGB = ⅜.
Nachlasswert nach § 2311 BGB: 600.000 EUR abzgl. 300.000 EUR (rechnerischer Zugewinn der B) = 300.000 EUR. Davon ⅜ = 112.500 EUR.
Das vorstehende Beispiel zeigt: Bei Wahl-Zugewinngemeinschaft kann der Pflichtteil geringer ausfallen als im gesetzlichen Güterstand. Zum Vergleich: Im Beispiel hätte die Erbquote von S bei Zugewinngemeinschaft ½ betragen, die Pflichtteilsquote mithin ¼. Der rechnerische Pflichtteil von S hätte bei einem Gesamtvermögen des Erblassers A 150.000 EUR betragen. Die Wahlzugewinngemeinschaft senkt die Pflichtteilslast im Beispielsfall mithin um 37.500 EUR.
Rz. 28
Es gibt jedoch auch Konstellationen, in denen die Vereinbarung der Wahl-Zugewinngemeinschaft Pflichtteilsansprüche – im Vergleich zum gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft – deutlich erhöht.
Beispiel
A und B sind in Wahl-Zugewinngemeinschaft verheiratet und haben einen Sohn S. Rechnerisch ergibt sich zugunsten der B ein Zugewinnausgleichsanspruch i.H.v. 300.000 EUR. Das Gesamtvermögen von A beläuft sich auf 600.000 EUR. B verfügt über kein Vermögen. A und B haben sich wechselseitig testamentarisch zu Alleinerben eingesetzt. B verstirbt. Es ergibt sich folgende Pflichtteilsberechnung:
Gesetzliches Erbrecht von S aus § 1924 Abs. 1 BGB = ¾.
Pflichtteilsquote von S nach § 2303 BGB = ⅜.
Nachlasswert nach § 2311 BGB: 0 EUR zzgl. 300.000 EUR (rechnerischer Zugewinn der B) = 300.000 EUR. Davon ⅜ = 112.500 EUR.
Das vorstehende Beispiel zeigt: Bei Wahl-Zugewinngemeinschaft kann der Pflichtteil deutlich höher ausfallen als im gesetzlichen Güterstand. Zum Vergleich: Im Beispiel hätte die Erbquote von S bei Zugewinngemeinschaft ½ und die Pflichtteilsquote somit ¼ betragen. Der rechnerische Pflichtteil von S hätte bei einem Gesamtvermögen der Erblasserin B 0 EUR betragen. Denn anders als bei der Wahl-Zugewinngemeinschaft ist es beim gesetzlichen Güterstand ausgeschl...