Rz. 186

Die Behandlung der eingehenden Papier-Post richtet sich – wie vieles – nach der Struktur der jeweiligen Kanzlei und wird im Grunde genommen in jeder Kanzlei anders gehandhabt. In vielen Kanzleien wird die Post in der Regel vor dem Öffnen schon vorsortiert, soweit erkenntlich ist, dass eine bestimmte Stelle (z.B. Buchhaltung) Adressat ist. Der Mitarbeiter sollte in den Umgang mit der eingehenden Post gut eingewiesen sein, so dass er weiß, welche Briefe er öffnen darf und welche nicht. In der Regel sind an den Rechtsanwalt mit dem Vermerk "Persönlich/Vertraulich" gerichtete Schreiben nicht zu öffnen. Da jedoch in der Vergangenheit Unternehmen die Unsitte annehmen, Werbebriefe ebenfalls mit dem Vermerk "Persönlich/Vertraulich" zu versehen, erhalten Mitarbeiter nicht selten die Weisung, auch solche Briefe zu öffnen. Dies wird tatsächlich in jeder Kanzlei anders gehandhabt. So kann es beispielsweise sein, dass im Posteingangsbereich auch die Post für die Buchhaltung (Kontoauszüge) geöffnet wird, andere Kanzleien übertragen diese Aufgabe nur den für die Buchhaltung zuständigen Personen. Es ist zu entscheiden, ob das Kuvert, in dem sich die Post befindet, aufbewahrt werden muss. "Gelbe Briefumschläge" bei Zustellungen gegen Postzustellungsurkunde (mit Zustellung ist ein förmlicher Akt gemeint, nicht der "normale" Posteingang) sind immer aufzubewahren. Gleiches gilt für Briefumschläge, die Besonderheiten aufweisen, z.B. einen Datumsstempel, der stark vom Datum des inliegenden Schriftstücks abweicht. Aber auch Briefumschläge, die mit handschriftlichem Vermerk eines Mandanten in den Hausbriefkasten geworfen wurden, sollten aufgehoben werden. Nach der Entnahme der Post aus dem Kuvert erfolgt eine Leerkontrolle. Ist der Briefumschlag leer und muss er nicht aus den oben genannten Gründen aufgehoben werden, kann er in den Papierkorb gelegt werden.

 

Rz. 187

Die Post wird durch Eingangsstempeloder -vermerk mit dem aktuellen Datum versehen. Dies ist keineswegs eine unbedeutende Nebensache, weil die Dokumentation des Eingangszeitpunktes beispielsweise zur Abwehr eines Regressanspruchs eines Mandanten von Bedeutung sein kann und für die Fristberechnung wichtig ist. Kanzleien haben heutzutage oft sehr unterschiedliche Strukturen. Die Bearbeitung der Post in einer "Ein-Mann-Kanzlei" (das sind etwa 32 % der Kanzleien in Deutschland; Zahl aus 2017) wird i.d.R. anders erfolgen als in einer mittelgroßen oder großen Kanzlei. In größeren Kanzleien wird nach der Entnahme der Post aus dem Kuvert, Ausdruck von E-Mail oder Entnahme aus dem Faxgerät die Post häufig in eigens vorgesehene Postfächer des jeweiligen Sachbearbeiters eingelegt, so dass von dort die Weiterbearbeitung erfolgen kann. Einige Anwälte möchten gerne die Vorlage der Post in einer Postmappe; andere wieder auf die jeweilige Papierakte mit Backfolder-Klammer geheftet. Eine konkrete Vorgabe wie die Weiterbearbeitung zu erfolgen hat, gibt es nicht. Der Anwalt muss sein Büro – und damit auch den Posteingang – nur so sortieren, dass keine Fehler passieren können. Das Öffnen der Post, deren Sortierung und die notwendigen Eintragungen im Termin- und Fristenkalender, darf nach der Rechtsprechung des BGH außer vom Anwalt selbst ausschließlich dem Bürovorsteher/Rechtsfachwirt oder einer erfahrenen Kanzleikraft übertragen werden, soweit nicht nur technische Tätigkeiten wie das Öffnen der Briefumschläge oder das Entnehmen und Stempeln der Briefe ausgeführt werden. Verstößt der Rechtsanwalt gegen diese Verpflichtung und entsteht durch die Unerfahrenheit einer Kanzleikraft dabei ein Schaden, macht der Anwalt sich gegenüber seinem Mandanten haftbar. Denn Fehler in der Büroorganisation werden dem Anwalt zugerechnet; sie stehen dem Verschulden einer Partei gleich, § 85 Abs. 2 ZPO.

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