Rz. 218
Büroorganisation in der heutigen Zeit ist ohne den elektronischen Rechtsverkehr (ERV) nicht mehr denkbar. Die Umstellung auf das elektronische Zeitalter begann Anfang der 1980er Jahre mit dem Einzug der Personal Computer in Anwaltskanzleien. Die Entwicklung von der guten alten Schreibmaschine zum Computer erfolgte sehr schnell, da in den Kanzleien rasch erkannt wurde, dass das Erfassen von Texten mit einem Computer erhebliche Zeitersparnis bringen kann. Vorbei sind die Zeiten, in denen mit Kohle- und Durchschreibpapier gearbeitet wurde und Fehler auf Durchschlägen und Originalen mühevoll mit Tipp-Ex beseitigt wurden. Der Einsatz von Computern ermöglicht es heutzutage, in Dokumenten Verschiebungen, Änderungen und Ergänzungen vorzunehmen, ohne dass das gesamte Dokument neu geschrieben werden muss. Fast zeitgleich mit den Computern hielten auch Diktiergeräte in den Kanzleien Einzug. Während Anfang der 1980er Jahre noch etliche Kanzleien Diktate mittels Stenogramm (Kurzschrift) übertragen ließen, wird die Stenographie heute in den meisten Fällen nur noch für Arbeitsanweisungen oder Telefonnotizen (die später in Langschrift übertragen werden) verwandt. Auch bei den Diktiergeräten gab es rasante Entwicklungen von ungestüm großen Geräten über Diktiergeräte mit kleinen Kassetten bis hin zu den heute üblichen Handdiktiergeräten, die auch auf der Reise ihren Einsatz finden und Diktate analog oder digital speichern. Nicht wenige Kanzleien verwenden heutzutage bereits Spracherkennungsprogramme, wobei zu beobachten ist, dass man nur dann wirklich ein Freund von Spracherkennung werden kann, wenn man sich mit dem Programm intensiv beschäftigt und ein entsprechendes Training vornimmt. Es ist davon auszugehen, dass sich die Technik in dieser Hinsicht wie bisher stets weiterentwickelt und in wenigen Jahren der Einsatz von digitalem Diktieren und Spracherkennung ebenso üblich sein wird wie vor knapp 30 Jahren der Einsatz einer Kugelkopfschreibmaschine. Der Vorteil von digitalen Diktaten liegt darin, dass sie per E-Mail an den Arbeitsplatz der Mitarbeiter von überall her versendet werden können. Dabei können digitale Diktate ebenso in einem Pool bereitgestellt werden wie auch analoge Bänder oft einen Platz in der Kanzlei haben, an denen sie zentral abgelegt werden, so dass sich die Mitarbeiter dort weitere Bänder/Diktate zum Schreiben abholen können, sobald sie freie Kapazitäten haben.
Rz. 219
Unter "elektronischem Rechtsverkehr" versteht man das Führen von Korrespondenz auf elektronischem Wege. Das Faxgerät ist eine Form der elektronischen Kommunikation. Es hielt Anfang der 1980er Jahre Einzug in den Kanzleien und ist dort heute nicht mehr wegzudenken. Beim Telefax wird ein Text beim Senden über eine Tastatur in elektronisch übertragbare Zeichen umgewandelt. Auf der Empfängerseite werden diese Zeichen in Text verwandelt. Der Empfänger erhält beim Telefax die Datei wie eine Photographie. Ist die Übertragung nicht erfolgreich, so zeigt das Gerät eine Fehlermeldung; ansonsten einen "OK-Vermerk". Während beim "normalen Fax" der Absender das zu sendende Dokument im Original in Papierform vorliegen hat, wird das Computerfax direkt vom PC des Absenders auf den PC des Empfängers übertragen. Die Unterschrift des Absenders existiert als Graphik (eingescannter Schriftzug). Doch obwohl das Faxgerät ein elektronisches Gerät ist und die Übertragung elektronisch erfolgt, zählt es bei der Einreichung von Schriftsätzen im Sinne der ZPO zur "schriftlichen Einreichung", siehe dazu auch § 130 Nr. 6 ZPO. Das ist ein äußerst wichtiger Aspekt, denn die elektronische Einreichung gem. § 130a ZPO hat ganz eigene Vorgaben und darf NICHT mit der schriftlichen Einreichung gem. § 130 Nr. 6 ZPO verwechselt werden.
Rz. 220
Die Möglichkeiten des elektronischen Rechtsverkehrs beinhalten:
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elektronische Einreichung von Schriftsätzen und Anlagen bei Gerichten und Staatsanwaltschaften durch Verfahrensbeteiligte, |
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elektronische Weiterverarbeitung der eingereichten Schriftsätze und Anlagen durch Gerichte und Staatsanwaltschaften sowie die |
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elektronische Übermittlung von Schriftsätzen, Anlagen und Entscheidungen an die Verfahrensbeteiligten. |
Rz. 221
Die Möglichkeit der "elektronischen Einreichung" ist in § 130a ZPO geregelt. Diese Vorschrift erfuhr zum 1.1.2018 erhebliche Änderungen. Sofern Rechtsprechung beigezogen wird, um mehr Sicherheit im Umgang mit der elektronischen Einreichung zu erhalten, sollte akribisch unterschieden werden zwischen der "alten“ Rechtslage bis 31.12.2017 und der neuen Rechtslage seit 1.1.2018. Denn beide Rechtslagen unterscheiden sich ganz erheblich voneinander. Rechtsprechung zur Rechtslage bis 31.12.2017 kann daher in der Regel nicht auf heutige Verhältnisse angewendet werden."
Rz. 222
Aber nicht nur § 130a ZPO regelt, wie Schriftsätze elektronisch bei Gericht eingereicht werden können. Auch die ERVV, ERVB 2018 und ERVB 2019 sind wichtig und daher zu beachten. Sie geben nicht nur die zulässigen Postfächer für den elektronischen R...