Rz. 503

Es sind die sich verändernden Beendigungs- und Veränderungsgründe in der Person des Unterhaltsverpflichteten zu berücksichtigen.[394] Dabei sind die mutmaßliche Leistungsfähigkeit des Getöteten, und damit die hypothetische Entwicklung seiner Unterhaltsverpflichtung, in die Prognose einzubeziehen.[395] Es ist zu ermitteln, wie sich bei hypothetischem Weiterleben der Unterhaltsanspruch des Berechtigten wahrscheinlich entwickelt haben würde. Es sind ähnliche Überlegungen anzustellen wie beim Erwerbsschaden (vgl. § 252 BGB), da ja der hypothetische Erwerb teilweise dem Unterhalt dann zugeführt worden wäre.[396]

 

Rz. 504

Neben dem – aus der dem real eingetretenen Tod nächstgelegenen (Rdn 254, 269, 296) Sterbetafel zu entnehmenden – fiktiven Versterbenszeitpunkt wird die zu betrachtende Unterhaltsverpflichtung des Getöteten zusätzlich individuell beeinflusst (Schätzung nach § 252 BGB, § 287 ZPO)[397] durch

die von der statistischen Wahrscheinlichkeit konkret abweichende Lebenserwartung im Todeszeitpunkt (z.B. gesundheitsgefährdender Arbeitsplatz, schwere unfallfremde Erkrankung);
absehbare Veränderungen im gesundheitlichen Status (Anhaltspunkte für die Einschätzung der künftigen Leistungsfähigkeit, aber auch für eine abweichende Beurteilung der hypothetischen Lebenserwartung, können sich z.B. aus im Strafverfahren eingeholtem Obduktionsgutachten ergeben);
alters- oder gesundheitsbedingte Herabsetzung der körperlichen Leistungsfähigkeit[398] (z.B. Wegfall von Überstunden, Wegfall oder Unwirtschaftlichkeit von Nebentätigkeiten);
positive (insbesondere berufliche) Weiterentwicklungen (z.B. Beförderung, Altersstufen, beruflicher Aufstieg; tarifliche Gehaltssteigerungen aber nur soweit, wie nicht durch den Kapitalisierungsfaktor bereits ausreichend kompensiert);
Verdiensteinbußen (z.B. durch Wegfall des Arbeitsplatzes, Wegfall von Nebentätigkeiten, vorzeitiges Ausscheiden aus dem Beruf; Verringerungen/Wegfall des Einkommens wegen überholender Kausalität);
Reduzierung des Nettoeinkommens nach hypothetischer Verrentung des Getöteten;
Mitarbeitspflicht im Haushalt nach Pensionierung.
 

Rz. 505

Gründe überholender Kausalität können einen reduzierten Kapitalisierungsfaktor bedingen. Diese anderweitigen Umstände sind allerdings vom Schädiger vorzutragen und zu beweisen (§ 2 Rdn 473 ff.).

[394] Jahnke, Unfalltod und Schadenersatz, 2. Aufl. 2012, § 8 Rn 163 ff.
[395] BGH v. 5.6.2012 – VI ZR 122/11 – DAR 2013, 21 = FamRZ 2012, 1300 = MDR 2012, 1159 = NJW 2012, 2887 = NJW-Spezial 2012, 489 = NZV 2012, 530 = r+s 2012, 514 = SP 2012, 321 = VersR 2012, 1048 (Anm. Höher) = VerkMitt 2012, Nr. 70 = VRS 123, 277 = zfs 2012, 686; BGH v. 25.4.2006 – VI ZR 114/05 – (Berichtigungsbeschl. v. 20.6.2006 – VI ZR 114/05) BGHReport 2006, 1171 = DAR 2007, 22 (nur Ls.) = FamRB 2006, 305 (nur Ls.) (Anm. Erk) = FamRZ 2006, 1108 (Anm. Luthin) = MDR 2006, 1409 = NJW 2006, 2327 = NJW-Spezial 2006, 402 = NZV 2006, 467 = r+s 2006, 519 (Anm. Bliesener) = SP 2006, 310 = VersR 2006, 1081 = VRS 111, 327 = zfs 2006, 677; BGH v. 11.7.1972 – VI ZR 21/71 – MDR 1973, 129 = VersR 1972, 945.
[396] OLG Frankfurt v. 26.7.2005 – 17 U 18/05 – SP 2005, 338. Siehe ergänzend Jahnke, Der Verdienstausfall im Schadenersatzrecht, 4. Aufl. 2015, § 2 Rn 669 ff.
[397] BGH v. 25.4.2006 – VI ZR 114/05 – (Berichtigungsbeschl. v. 20.6.2006 – VI ZR 114/05) BGHReport 2006, 1171 = DAR 2007, 22 (nur Ls.) = FamRB 2006, 305 (nur Ls.) (Anm. Erk) = FamRZ 2006, 1108 (Anm. Luthin) = MDR 2006, 1409 = NJW 2006, 2327 = NJW-Spezial 2006, 402 = NZV 2006, 467 = r+s 2006, 519 (Anm. Bliesener) = SP 2006, 310 = VersR 2006, 1081 = VRS 111, 327 = zfs 2006, 677.
[398] BGH v. 7.5.1974 – VI ZR 10/73 – NJW 1974, 1651 = VersR 1974, 1016; BGH v. 25.4.1972 – VI ZR 134/71 – MDR 1972, 769 = VersR 1972, 834.

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