(a) Vorbemerkung
Rz. 154
§ 116 Abs. 3 S. 3 SGB X schließt den Anspruchsübergang auf die Sozialleistungsträger i.S.d. § 116 Abs. 1 SGB X aus, "soweit der Geschädigte oder seine Hinterbliebenen dadurch hilfebedürftig im Sinne der Vorschriften des SGB XII werden". Es besteht damit ein Quotenvorrecht zugunsten des mithaftenden Geschädigten, wenn wegen der Mitverantwortlichkeit und dem Übergang auf den Zessionar nach der relativen Theorie Sozialhilfebedürftigkeit entstünde.
Rz. 155
§ 116 Abs. 3 S. 3 SGB X führt nicht etwa dazu, dass der Schadenersatzpflichtige höheren Ersatz zu leisten hat. Es kommt nur zu einer anderen Verteilung: Es erhöht sich lediglich im Verhältnis von Geschädigtem und Sozialleistungsträger zu Lasten des letzteren der Anteil des Geschädigten am zur Verfügung zu stellenden Schadenersatz bis zur Grenze der Sozialhilfebedürftigkeit, obwohl den Geschädigten eine Mitverantwortung trifft.
Rz. 156
Da der Geschädigte entsprechende Sozialhilfeansprüche verliert, bringt ihm die verunglückte Regelung in § 116 Abs. 3 S. 3 SGB X keinen materiellen Vorteil; die Regelung will nur verhindern, dass er die Sozialhilfe in Anspruch nimmt. Der 22. VGT 1984 (Arbeitskreis IV, Empfehlung 2) hebt daher hervor, dass diese Bestimmung sogar dazu führen kann, zum Nachteil des Geschädigten die Schadensregulierung zu verzögern; es wurde daher die Streichung des § 116 Abs. 3 S. 3 SGB X vorgeschlagen.
(b) Reichweite
Rz. 157
Der Anspruchsübergang ist insoweit ausgeschlossen, als der Geschädigte dadurch (also ursächlich durch die Zession – und nicht etwa durch die Schädigung) hilfebedürftig i.S.d. SGB XII wird. Der in § 116 Abs. 3 S. 3 SGB X – bei nur quotenmäßiger Haftung des Schädigers – bestimmte Zessionsausschluss verlangt also die Kausalität zwischen Legalzession und Eintritt der Sozialhilfebedürftigkeit des Geschädigten. Ein Anspruchsübergang soll nur dann ausscheiden, wenn durch die Zession die Notwendigkeit der Inanspruchnahme von Sozialhilfe beim Verletzten herbeigeführt oder verstärkt wird; nicht aber, wenn Sozialhilfebedürftigkeit aus anderen Gründen eintritt. Es fehlt an dieser Kausalität, wenn der Schadensersatzanspruch des Geschädigten, dem insoweit eine Einziehungsermächtigung verbleibt, bereits im Unfallzeitpunkt (primärer Schädigungszeitpunkt) auf den SHT übergeht.
Rz. 158
Für den Rechtsübergang auf den SHT ist nach gefestigter Rechtsprechung darauf abzustellen, ob nach den konkreten Umständen (auch für eine Bedürftigkeit des Geschädigten) des jeweiligen Einzelfalls mit der Leistungspflicht des SHT ernsthaft zu rechnen ist (§ 2 Rdn 1277 ff.). Bei schweren Personenschäden liegt nicht selten ein frühestmöglicher (d.h. bereits im Zeitpunkt der primären Schädigung erfolgter) Forderungsübergang auf den SHT nahe. Auch die Bedürftigkeit des Verletzten zeichnet sich fast ebenso häufig dann bereits ohne die Zession ab; durch den Anspruchsübergang auf den SHT wird die Sozialhilfebedürftigkeit weder herbeigeführt noch verstärkt. Die Voraussetzungen eines Ausschlusses der Legalzession nach § 116 Abs. 3 S. 3 SGB X sind dann nicht erfüllt; der Übergang des Schadensersatzanspruchs des Verletzten auf den SHT hat nicht zur Sozialhilfebedürftigkeit des Geschädigten beigetragen.
Rz. 159
Die Legalzession zugunsten des SHT hat für den zukünftigen Fall einer Inanspruchnahme einen sichernden Charakter. Die Zession nimmt aber dem Geschädigten gerade keine wirtschaftliche Position, die er zur Abwehr einer Hilfebedürftigkeit benötigt. Hilfebedürftigkeit i.S.d. § 116 Abs. 3 S. 3 SGB X kann also nicht dadurch eintreten, dass der – quotenmäßig beschränkte – Schadensersatzanspruch frühzeitig (konkret im primären Schädigungszeitpunkt) auf den SHT übergegangen ist.