a) Zuschlag bei dreimonatig vorschüssiger Zahlweise

 

Rz. 521

Die Kapitalisierungstabellen gehen von einer monatlich vorschüssigen Zahlungsweise aus. Besteht eine vierteljährlich vorschüssige Zahlungsverpflichtung, wird (unabhängig vom gewählten Zinsfuß) ein Zuschlag von 0,084 zum Kapitalisierungsfaktor addiert.[417]

 

Rz. 522

In der Praxis unterbleibt diese geringfügige Korrektur allerdings regelmäßig.

[417] Schneider/Schlund/Haas, S. 165 (Tabelle A 7).

b) Individuelle Entwicklung

 

Rz. 523

Bei Verdienstausfall, Beitragsregress und Unterhaltsschaden sind nachgewiesene (§ 252 BGB, § 287 ZPO) zukünftige

positive (insbesondere berufliche) Weiterentwicklungen (z.B. Beförderung, Altersstufen, beruflicher Aufstieg; tarifliche Gehaltssteigerungen nur soweit, wie nicht durch den Kapitalisierungsfaktor bereits ausreichend kompensiert), aber auch
Verringerungen (z.B. mit hypothetischem Eintritt in den Ruhestand; Mitarbeitspflicht im Haushalt nach Pensionierung; vorzeitiges Ausscheiden aus dem Beruf) oder
Wegfall des Einkommens (wegen überholender Kausalität)

wie eine "aufgeschobene Rente" ab dem jeweiligen Zeitpunkt der Änderung zu kapitalisieren (Berechnung mit Differenzfaktor).

 

Rz. 524

Gleiches gilt für bereits eingetretene, aber auch absehbare (unfallkausale oder unfallfremde) Veränderungen im gesundheitlichen Status.

c) Lebenserwartung

 

Rz. 525

Die Kapitalisierungstabellen berücksichtigen nur die durchschnittliche und nicht die individuelle Lebenserwartung. Einer vorliegenden gesundheitlich verkürzten Lebenserwartung ist durch Kürzung des Kapitalisierungsfaktors Rechnung zu tragen.

 

Rz. 526

Einer Vorversterblichkeit ist auch dann Rechnung zu tragen, wenn sie gerade erst aus dem Unfallgeschehen resultiert. Die verkürzte Lebenserwartung ist objektiv zu betrachten und der Kapitalbetrag fällt entsprechend geringer aus.[418]

 

Rz. 527

Bei Risikotätigkeiten (z.B. Schwerarbeit, Untertagetätigkeit) ist die verkürzte Lebensarbeitszeit mit zu berücksichtigen.

 

Rz. 528

Wenn Ausländer verletzt oder getötet werden, gelten Besonderheiten (siehe dazu Rdn 534 ff.).

[418] Zur Vorversterblichkeit Küppersbusch/Höher, Ersatzansprüche bei Personenschaden, 12. Aufl. 2016, Rn 858 m.w.N. (insb. Fn 12).

d) Erkrankungsrisiko

 

Rz. 529

Die Tabellen berücksichtigen nur den Tod (letaler Faktor) bei durchschnittlicher statistischer Lebenserwartung, nicht allerdings die weiter vorhandenen non-letalen Faktoren, die ebenfalls ein Ende der Rentenzahlung zur Folge haben können. Das sonstige allgemeine Lebens- und Gesundheitsrisiko wird dem Geschädigten (oder seinem Rechtsnachfolger) abgenommen.

 

Rz. 530

Ebenso sind z.B. folgende Faktoren[419] berücksichtigenswert:

konkretes Vorversterbensrisiko,
nachschüssige Zahlungsweise (z.B. weil Verdienstausfall noch nicht geltend gemacht oder nachgewiesen wurde, Verzinsung nur bei Verzug),
vorzeitige Invalidisierung (insbesondere bei bestimmten Berufsgruppen),
überholende Kausalität (z.B. Arbeitsplatzrisiko, anderweitige zur Arbeitsunfähigkeit und Arbeitsplatzverlust führende Erkrankung).
 

Rz. 531

Teilweise wird vertreten, dass wegen dieser non-letalen Faktoren der Zinsfuß um 1,5–3 Prozentpunkte (bei einem Zinsfuß von 5 % also auf 7–8,5 %) erhöht werden müsste,[420] was dann letztlich zu einer Senkung des anzuwendenden Kapitalisierungsfaktors führen würde.

[419] Ergänzend Küppersbusch/Höher, Ersatzansprüche bei Personenschaden, 12. Aufl. 2016, Rn 874 ff.
[420] Becker/Böhme, Kraftverkehrs-Haftpflicht-Schäden, 19. Aufl. 1994, S. 267 (Rn D 276); Schneider, Kapitalisierung von Schadensersatzrenten, VersR 1981, 493 (497) = Veröffentlichung des 19. VGT 1981, 237.

e) Dynamisierung

 

Rz. 532

Regressierende SVT fordern manchmal (zu Unrecht[421]) bei Kapitalisierung ihrer Ansprüche einen sog. Dynamikzuschlag[422] (prozentuale Erhöhung je nach Höhe des Kapitalisierungsfaktors, Aufrundung).

 

Rz. 533

Eine etwaige künftige Dynamik[423] wird aber bereits durch Folgendes angemessen ausgeglichen:

Der SVT zahlt keine Steuern (§ 29 SGB Abs. 4, § 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG, §§ 43, 3a Abs. 1 Nr. 2 EStG) und hat keine Kosten der Vermögensanlage, erspart aber Verwaltungskosten.
Häufig wird der Regress erst mit erheblicher Verzögerung abgerechnet ("nachschüssige" Zahlungsweise). Auch sind die jeweiligen Regressforderungen nicht immer sofort fällig (nicht zuletzt, weil der Nachweis der einzelnen Aufwendungen und deren Unfallbedingtheit nicht immer ohne Weiteres zu führen ist).
Die non-letalen Faktoren (insbesondere Invaliditäts- und Arbeitsplatzrisiko) bleiben regelmäßig unberücksichtigt.
Auch steigen Arbeitseinkommen (auf die es im Rahmen der Übergangsfähigkeit ankommt) wegen der Steuer- und Sozialabgabenlast nicht zwingend proportional zu den Barleistungen der SVT. In etlichen Wirtschaftszweigen wurden Jahressonderleistungen gesenkt oder sogar gestrichen.
Die ungünstige Alterspyramide führt – wie Gesetzgebungsvorhaben zur Verlängerung der Lebensarbeitszeit – zur faktischen Kürzung der Rentenanwartschaften, siehe auch § 6 Rdn 164.
[421] Ebenso OLG Nürnberg, Verfügung v. 6.7.2004 – 2 U 1260/04 – NZV 2008, 349 (Anm. Küppersbusch) bestätigt die Auffassung des LG Nürnberg-Fürth v. 3.2.2...

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