Rz. 253
Muss die künftige Forderung bis zum hypothetischen Lebensende des Unfallverletzten kapitalisiert werden, ist die Laufzeit der Sterbetafel (§ 6 Rdn 29 ff.; § 6 Rdn 67 ff.) zu entnehmen. Für Unterhaltsschäden ist auf die dem Todeszeitpunkt nächstgelegene Sterbetafel abzustellen (siehe auch Rdn 254, 269, 296).
Rz. 254
Zunächst ist die allgemeine Lebenserwartung der Personengruppe, der die verletzte/verstorbene Person angehörte und deren besondere Lebens- und Gesundheitsverhältnisse zu berücksichtigen sind, zu beachten. Die mutmaßliche Lebensdauer eines getöteten Unterhaltspflichtigen ist beim Fehlen individueller Anhaltspunkte (z.B. einer unfallfremden Erkrankung) anhand der vom Statistischen Bundesamt herausgegebenen Sterbetafeln für die Bundesrepublik Deutschland zu ermitteln; dabei ist auf diejenige Sterbetafel abzustellen, deren Erhebungsjahr dem Todestag zeitlich am nächsten ist (siehe Rdn 269, 296).
Rz. 255
Vom Statistischen Bundesamt werden in Deutschland in regelmäßigen Abständen sog. "Allgemeine Sterbetafeln für die Bundesrepublik Deutschland" ermittelt und veröffentlicht. Diese Allgemeinen Sterbetafeln berücksichtigen die gesamte deutsche Bevölkerung der Bundesrepublik, und zwar – staatsangehörigkeitsbezogen – alle Bevölkerungsgruppen ohne irgendwelche Differenzierungen (beispielsweise nach Beruf, Wohnort und Familienstand, Gesundheitszustand). Unterschieden wird ausschließlich nach dem Geschlecht.
Rz. 256
Die Sterbetafeln erfassen jedoch nur deutsche Staatsangehörige. Für Staatsangehörige anderer Länder ist hervorzuheben, dass nicht die allgemeinen deutschen Sterbetafeln der Kapitalisierung zugrunde gelegt werden können, sondern vielmehr auf das Ursprungsland und die dortige Lebenserwartung abzustellen ist.
Rz. 257
Sterbetafeln europäischer Länder und Sterbetafeln für das außereuropäische Ausland finden sich in den statistischen Jahrbüchern für das Ausland des Statistischen Bundesamtes, gestützt auf internationale Quellen. Internationale Sterbetafeln sind in § 6 wiedergegeben (Mann: § 6 Rdn 127 f.; Frau: § 6 Rdn 129 f.).
Rz. 258
Daneben ist weiteren Einflussfaktoren (vor allem einer individuellen Vorversterblichkeit des Unfallbeteiligten) zusätzlich Rechnung zu tragen (zur Vorversterblichkeit siehe Rdn 585). Diese individuelle Vorversterblichkeit kann sowohl aus den Unfallverletzungen resultieren als auch auf unfallfremden Anlage-Erkrankungen (z.B. einer Krebserkrankung) oder künftig zu erwartenden Beeinträchtigungen (z.B. Berufskrankheiten) beruhen. Es gilt die prognostische Einschätzung nach § 287 ZPO gleichbedeutend für Anspruchsteller und Ersatzpflichtigen.
Rz. 259
Die Kapitalisierungstabellen berücksichtigen nur die durchschnittliche und nicht die individuelle Lebenserwartung. Einer konkret verkürzten Lebenserwartung ist durch Kürzung des Kapitalisierungsfaktors Rechnung zu tragen. Bei Risikoarbeitsgruppen (z.B. Schwerarbeit, Untertagetätigkeit) ist die verkürzte Lebensarbeitszeit mit zu berücksichtigen (siehe auch Rdn 584 ff.).