Rz. 157

Der Anspruchsübergang ist insoweit ausgeschlossen, als der Geschädigte dadurch (also ursächlich durch die Zession – und nicht etwa durch die Schädigung[130]) hilfebedürftig i.S.d. SGB XII wird. Der in § 116 Abs. 3 S. 3 SGB X – bei nur quotenmäßiger Haftung des Schädigers – bestimmte Zessionsausschluss verlangt also die Kausalität zwischen Legalzession und Eintritt der Sozialhilfebedürftigkeit des Geschädigten.[131] Ein Anspruchsübergang soll nur dann ausscheiden, wenn durch die Zession die Notwendigkeit der Inanspruchnahme von Sozialhilfe beim Verletzten herbeigeführt oder verstärkt wird; nicht aber, wenn Sozialhilfebedürftigkeit aus anderen Gründen eintritt. Es fehlt an dieser Kausalität, wenn der Schadensersatzanspruch des Geschädigten, dem insoweit eine Einziehungsermächtigung verbleibt, bereits im Unfallzeitpunkt (primärer Schädigungszeitpunkt) auf den SHT übergeht.

 

Rz. 158

Für den Rechtsübergang auf den SHT ist nach gefestigter Rechtsprechung[132] darauf abzustellen, ob nach den konkreten Umständen (auch für eine Bedürftigkeit des Geschädigten) des jeweiligen Einzelfalls mit der Leistungspflicht des SHT ernsthaft zu rechnen ist (§ 2 Rdn 1277 ff.). Bei schweren Personenschäden liegt nicht selten ein frühestmöglicher (d.h. bereits im Zeitpunkt der primären Schädigung erfolgter) Forderungsübergang auf den SHT nahe. Auch die Bedürftigkeit des Verletzten zeichnet sich fast ebenso häufig dann bereits ohne die Zession ab; durch den Anspruchsübergang auf den SHT wird die Sozialhilfebedürftigkeit weder herbeigeführt noch verstärkt. Die Voraussetzungen eines Ausschlusses der Legalzession nach § 116 Abs. 3 S. 3 SGB X sind dann nicht erfüllt; der Übergang des Schadensersatzanspruchs des Verletzten auf den SHT hat nicht zur Sozialhilfebedürftigkeit des Geschädigten beigetragen.

 

Rz. 159

Die Legalzession zugunsten des SHT hat für den zukünftigen Fall einer Inanspruchnahme einen sichernden Charakter. Die Zession nimmt aber dem Geschädigten gerade keine wirtschaftliche Position, die er zur Abwehr einer Hilfebedürftigkeit benötigt.[133] Hilfebedürftigkeit i.S.d. § 116 Abs. 3 S. 3 SGB X kann also nicht dadurch eintreten, dass der – quotenmäßig beschränkte – Schadensersatzanspruch frühzeitig (konkret im primären Schädigungszeitpunkt) auf den SHT übergegangen ist.

[130] BGH v. 25.6.1996 – VI ZR 117/95 – BGHZ 133, 129 = NJW 1996, 2508 = NZV 1996, 402 = r+s 1996, 404 = SP 1996, 312 = VersR 1996, 1126 = VRS 92, 85 = zfs 1996, 140.
[131] BGH v. 25.6.1996 – VI ZR 117/95 – BGHZ 133, 129 = NJW 1996, 2508 = NZV 1996, 402 = r+s 1996, 404 = SP 1996, 312 = VersR 1996, 1126 = VRS 92, 85 = zfs 1996, 140.
[132] BGH v. 18.10.2022 – VI ZR 1177/20 – BeckRS 2022, 32822 = MDR 2023, 38 (nur Ls.) = MedR 2023, 176 (Anm. Wever) = openJur 2022, 21358 = r+s 2023, 35 (Anm. C. Burmann, r+s 2023, 93) = VersR 2023, 129; BGH v. 24.4.2012 – VI ZR 329/10 – BeckRS 2012, 11294 = GesR 2012, 475 = jurisPR-SozR 13/2012 Anm. 6 (Anm. Dahm) = jurisPR-VerkR 14/2012, Anm. 2 (Anm. Jahnke) = MDR 2012, 840 = NJW 2012, 3639 (Anm. Giesen, NJW 2012, 3609) = NJW-Spezial 2012, 394 = NZS 2012, 752 (nur Ls.) = NZV 2012, 577 (Anm. Dahm, NZV 2012, 575) = r+s 2012, 414 = SP 2012, 284 = VersR 2012, 924 = VRS 123, 167. Jahnke/Burmann-Jahnke/Burmann, Handbuch Personenschadensrecht, 2. Aufl. 2022, Kap. 6 Rn 6270 ff. m.w.N.
[133] BGH v. 27.6.2006 – VI ZR 337/04 – BGHReport 2006, 1367 = DAR 2007, 22 (nur Ls.) = MDR 2007, 151 = NJW 2006, 3565 = NZV 2007, 33 = r+s 2007, 40 = SP 2006, 381 = SVR 2007, 58 (Anm. Lang) = VersR 2006, 1383 = VRS 111, 252 = zfs 2006, 618; BGH v. 25.6.1996 – VI ZR 117/95 – BGHZ 133, 129 = NJW 1996, 2508 = NZV 1996, 402 = r+s 1996, 404 = SP 1996, 312 = VersR 1996, 1126 = VRS 92, 85 = zfs 1996, 140.

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