Rz. 322

Schadenersatz für Erwerbseinbußen (Verdienstausfall, Minderverdienst, Rentenminderung)[227] ist, wenn der Ersatzberechtigte überhaupt nicht oder nicht mehr ohne Einbußen in das Erwerbsleben reintegriert werden kann, bis zu demjenigen Zeitpunkt zu leisten, in dem er voraussichtlich aus dem Erwerbsleben ausgeschieden wäre.[228] Es folgt dann i.d.R. der Bezug von Altersrente (§ 33 Abs. 2 SGB VI),[229] begleitet u.U. von Ersatzansprüchen wegen einer unfallkausalen Rentenminderung,[230] soweit diese nicht bereits von § 119 SGB X[231] aufgefangen wurde.

 

Rz. 323

Ein unfallbedingter Erwerbsschaden endet nicht bereits mit dem Zeitpunkt der vollständigen gesundheitlichen Wiederherstellung. Auch nach Beendigung der Arbeitsunfähigkeit kann Schadenersatz wegen Verdienstausfalles (z.B. Minderverdienst) verlangt werden, wenn und solange die Erwerbslosigkeit noch ihre Ursache in dem Unfall hat.[232] Hier ist dann eine Berechnung mit Differenzfaktoren angezeigt (dazu Rdn 604 ff. und Beispiel 1.18 [Rdn 626]).

 

Rz. 324

Über den Zeitpunkt des fiktiven Endes eines Erwerbslebens hinaus besteht möglicherweise ein Anspruch wegen Rentenminderung in denjenigen Fällen, in denen § 119 SGB X keinen oder nur teilweisen Schutz bietet (z.B. Unfall vor dem 1.7.1983; Kinderunfall außerhalb des Schutzes von §§ 119, 120 SGB X; von der Mitgliedschaft in der gesetzlichen Rentenversicherung befreite Personen, u.a. berufsständisch Versorgte).[233]

 

Rz. 325

Wird der Verdienstausfall über einen längeren Zeitraum hinweg kapitalisiert, ist regelmäßig vom durchschnittlichen Jahreseinkommen auszugehen. Für die Kongruenzbetrachtung zu etwaigen Drittleistungen (z.B. Erwerbsunfähigkeitsrenten) ist zunächst auf den Monat zurückzurechnen.[234] Bei der Prognose zur voraussichtlichen Entwicklung der Erwerbstätigkeit des Geschädigten ohne das Unfallereignis sind auch solche Entwicklungen mit einzubeziehen, die sich erst nach dem Unfallgeschehen (bei Urteil: bis zur letzten mündlichen Verhandlung) ergeben.[235]

 

Rz. 326

Als Ausgangspunkt der Regulierung ist das Einkommen zum Unfallzeitpunkt zugrunde zu legen. Zwischenzeitliche Lohnerhöhungen sind zu berücksichtigen. Behauptete Gehaltsaufbesserungen und berufliche Aufstiege, die infolge des Unfalles unterblieben sein sollen, sind grundsätzlich zwar mit einzubeziehen, der vom Verletzten zu erbringende Nachweis ist allerdings häufig schwer. Ebenso sind konjunkturelle Begleitumstände (Kurzarbeit, Konkurse, Entlassungen)[236] zu berücksichtigen.

 

Rz. 327

Eine durchgängige Erwerbsbiographie ist allerdings nicht zwingend und entspricht nicht § 252 BGB.[237]

[227] OLG Hamm v. 15.6.1998 – 6 U 85/95 – r+s 1998, 465.
[228] BGH v. 11.1.1951 – III ZR 187/50 – BGHZ 1, 45 = NJW 1951, 195.
[229] Siehe auch BGH v. 27.6.1967 – VI ZR 3/66 – NJW 1967, 2053 = VersR 1967, 953.
[230] OLG Hamm v. 15.6.1998 – 6 U 85/95 – r+s 1998, 465.
[231] OLG Hamm v. 11.1.2021 – 11 U 33/20 – BeckRS 2021, 1949 = openJur 2021, 5562 (Rentenversicherungsträger ist nach § 119 SGB X verpflichtet, im Falle eines fremdverschuldeten Verdienstausfalls den Rentenminderungsschaden gegenüber dem einstandspflichtigen Haftpflichtversicherer geltend zu machen. Der Anspruch des Rentenversicherungsträgers gegen den Haftpflichtversicherer auf Beitragszahlung wird durch einen eventuellen Abfindungsvergleich zwischen Versicherer und Geschädigtem nicht berührt, da sich der Geschädigte mit dem Haftpflichtversicherer nur über Ansprüche einigen kann, die nicht bereits im Wege des gesetzlichen Forderungsübergangs auf den Sozialversicherungsträger übergegangen sind.).
[232] BGH v. 2.4.1991 – VI ZR 179/90 – DAR 1991, 260 = MDR 1991, 602 = NJW 1991, 2422 = VersR 1991, 703 = zfs 1991, 262 (nur Ls.); BGH v. 11.1.1951 – III ZR 187/50 – BGHZ 1, 45 = NJW 1951, 195; OLG Hamm v. 23.11.2004 – 9 U 203/03 – BeckRS 2005, 2606 = OLGR 2005, 305 = SVR 2006, 67.
[233] BGH v. 10.11.1987 – VI ZR 290/86 – DAR 1988, 52 = DB 1988, 960 (nur Ls.) = MDR 1988, 307 = NJW-RR 1988, 470 = NZV 1988, 98 = r+s 1988, 46 = VersR 1988, 46 = zfs 1988, 101.
[234] Siehe BGH v. 4.3.1997 – VI ZR 243/95 – NZV 1997, 302 = r+s 1997, 371 = VersR 1997, 751 (Erzielt jemand sein Jahreseinkommen nur im Laufe weniger Monate, so ist dieses für die zeitliche Kongruenz auf das gesamte Jahr anteilig zu verteilen).
[235] BGH v. 27.10.1998 – VI ZR 322/97 – DAR 1999, 66 = NJW 1999, 136 = NZV 1999, 75 = r+s 1999, 68 = SP 1999, 48 = VersR 1999, 106 = VRS 96, 87 = zfs 1999, 75.
[236] Siehe OLG Karlsruhe v. 25.1.1989 – 1 U 1/88 – NZV 1990, 269 = VRS 90, 1.
[237] Siehe OLG Karlsruhe v. 8.10.2014 – 7 U 87/14 – jurisPR-VerkR 11/2015 Anm. 2 (Anm. Lang) = openJur 2014, 25262 = RdLH 2015, 44 (Anm. Zumbansen): "Eine nahtlose Berufstätigkeit zwischen dem 16. und 67. Lebensjahr ist nicht als durchschnittlich anzusehen." (Vorinstanz zu BGH v. 16.6.2015 – VI ZR 416/14 – openJur 2015, 12734).

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