Rz. 139

 

§ 118 VVG – Rangfolge mehrerer Ansprüche

(1)

Übersteigen die Ansprüche auf Entschädigung, die aufgrund desselben Schadensereignisses zu leisten ist, die Versicherungssumme, wird die Versicherungssumme nach folgender Rangfolge, bei gleichem Rang nach dem Verhältnis ihrer Beträge, an die Ersatzberechtigten ausgezahlt:

1. für Ansprüche wegen Personenschäden, soweit die Geschädigten nicht vom Schädiger, von einem anderen Versicherer als dessen Haftpflichtversicherer, einem Sozialversicherungsträger oder einem sonstigen Dritten Ersatz ihrer Schäden erlangen können;
2. für Ansprüche wegen sonstiger Schäden natürlicher und juristischer Personen des Privatrechts, soweit die Geschädigten nicht vom Schädiger, einem anderen Versicherer als dessen Haftpflichtversicherer oder einem Dritten Ersatz ihrer Schäden erlangen können;
3. für Ansprüche, die nach Privatrecht auf Versicherer oder sonstige Dritte wegen Personen- und sonstiger Schäden übergegangen sind;
4. für Ansprüche, die auf Sozialversicherungsträger übergegangen sind;
5. für alle sonstigen Ansprüche.
(2) Ist die Versicherungssumme unter Berücksichtigung nachrangiger Ansprüche erschöpft, kann sich ein vorrangig zu befriedigender Anspruchsberechtigter, der bei der Verteilung nicht berücksichtigt worden ist, nachträglich auf Absatz 1 nicht berufen, wenn der Versicherer mit der Geltendmachung dieses Anspruchs nicht gerechnet hat und auch nicht rechnen musste.
 

Rz. 140

Für Unfälle ab dem 1.1.2008 ist § 118 VVG zu beachten. Diese Norm hat keine Vorgängervorschrift im VVG a.F.

 

Rz. 141

§ 118 Abs. 1 VVG führt eine Rangordnung der Ansprüche auf die Versicherungssumme ein. Nach gesetzgeberischer Intention[116] ist bei einer Pflichtversicherung die Mindestversicherungssumme grundsätzlich so hoch festzusetzen, dass sie ausreicht, auch einen durchschnittlichen Großschaden zu ersetzen. Sollten sich gleichwohl Schadenfälle ereignen, deren Volumen die Versicherungssumme übersteigt, will das Gesetz den anderweit nicht abgesicherten Individualansprüchen der Geschädigten einen Vorrang insbesondere vor öffentlichen Ersatzansprüchen einräumen.

 

Rz. 142

§ 118 Abs. 2 VVG soll vermeiden, dass das Verteilungsverfahren nachträglich geändert werden muss.

 

Rz. 143

Die deckungsrechtliche Rangfolge nach § 118 VVG ist nicht auf die haftungsrechtliche Rangfolge abgestimmt. Dies zeigt sich zum einen bei haftungsrechtlich zu berücksichtigenden Befriedigungs- und Quotenvorrechten, zum anderen an Mitverantwortlichkeiten des Geschädigten, der im Haftungsbereich damit seine Bevorrechtigung verlieren kann.[117]

 

Rz. 144

Bevor § 118 VVG jedoch angewendet werden kann, ist zunächst auf der Haftungsseite die Einstandspflicht des Schadenersatzpflichtigen gegenüber den jeweiligen Fordernden festzustellen. Dabei sind anderweitig bestimmte Befriedigungs- und Quotenvorrechte (wie § 116 SGB X, § 86 VVG oder solche aus dem Beamtenrecht) zu berücksichtigen. Festzustellen sind nicht zuletzt auch die unterschiedlichen Zeitpunkte, zu denen ein Geschädigter per Legalzession oder im Wege der Abtretung seine Ansprüche an Drittleistungsträger verliert.

 

Rz. 145

Erst anschließend ist der deckungsseitig vom Haftpflichtversicherer zur Verfügung zu stellende Betrag nach Maßgabe des § 118 VVG an die Fordernden zu verteilen. Ergeben sich daraus unauflösliche Konflikte, sind diese nach den im Haftungsbereich aufgestellten Regeln zu lösen.[118]

[116] Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Reform des Versicherungsvertragsrechts v. 5.10.2006, S. 225.
[117] BGH v. 21.11.2000 – VI ZR 120/99 – BGHZ 146, 84 = MDR 2001, 328 = NJW 2001, 1214 = r+s 2001, 151 = SP 2001, 87 = VersR 2001, 387 m.w.N.
[118] Stiefel/Maier-Jahnke, Kraftfahrtversicherung, 19. Aufl. 2017, § 118 VVG Rn 7 ff.

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