(1) Veränderungen im Verlauf der hypothetischen Unterhaltsberechtigung
Rz. 499
Bei der Ermittlung des künftigen Unterhaltsschadens sind wirtschaftliche Veränderungen bei den Einkommensverhältnissen von Getötetem und Hinterbliebenen (z.B. hypothetische Verrentung/beamtenrechtliche Pensionierung) ebenso zu beachten, wie Veränderungen im familiären Umfeld (Herausfallen der Kinder aus der Unterhaltsberechtigung, Wiederaufnahme – auch hypothetische – einer Berufstätigkeit durch den hinterbliebenen Ehegatten, mögliche Wiederheirat). Die Rente ist jeweils für bestimmte Zeiträume unterschiedlich zu bemessen.
Rz. 500
Auch ein späterer Rentenbezug des hinterbliebenen Partners (z.B. aufgrund landwirtschaftlicher Partnerschaft, früherer Tätigkeit, Scheidung, Kindererziehung) ist zu beachten. Siehe auch Rdn 543 ff.
Rz. 501
Beim Barunterhaltschaden ist das Ausscheiden aus dem Berufsleben die wichtigste Zäsur. Aber auch der Wegfall der Unterhaltsberechtigung von Kindern (z.B. durch Wegfall eines gehaltswirksamen Kinderzuschlages oder Wegfall der Unterhaltspflicht an einen geschiedenen Partner) kann das Anspruchsvolumen ebenso verändern wie die erneute Berufsaufnahme oder die Tätigkeitserweiterung des Hinterbliebenen.
Rz. 502
Beim Naturalunterhalt gibt es keine allgemein gültigen Grenzen, insbesondere kann die Beeinträchtigung in der Haushaltsführung nicht bis zum Erreichen des 65. Lebensjahres begrenzt werden. Es gelten letztlich ähnliche Kriterien wie im Falle der Verletzung eines Haushaltsführenden (siehe Rdn 453 f.); zum Ende des Naturalunterhaltes Rdn 464. Hinzu kommen die Veränderungen im Haushalt
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durch Wegzug von Kindern, deren Erreichen des 18. Lebensjahrs (siehe Rdn 519 f.), deren gesetzlich geforderte Einbeziehung in die Haushaltsführung bei häufig gleichzeitiger Reduktion des Betreuungsanspruches; |
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Hinzutreten des Ehegatten nach Aufgabe beruflicher Tätigkeit. |
(2) Aspekte in der Person des Verpflichteten
Rz. 503
Es sind die sich verändernden Beendigungs- und Veränderungsgründe in der Person des Unterhaltsverpflichteten zu berücksichtigen. Dabei sind die mutmaßliche Leistungsfähigkeit des Getöteten, und damit die hypothetische Entwicklung seiner Unterhaltsverpflichtung, in die Prognose einzubeziehen. Es ist zu ermitteln, wie sich bei hypothetischem Weiterleben der Unterhaltsanspruch des Berechtigten wahrscheinlich entwickelt haben würde. Es sind ähnliche Überlegungen anzustellen wie beim Erwerbsschaden (vgl. § 252 BGB), da ja der hypothetische Erwerb teilweise dem Unterhalt dann zugeführt worden wäre.
Rz. 504
Neben dem – aus der dem real eingetretenen Tod nächstgelegenen (Rdn 254, 269, 296) Sterbetafel zu entnehmenden – fiktiven Versterbenszeitpunkt wird die zu betrachtende Unterhaltsverpflichtung des Getöteten zusätzlich individuell beeinflusst (Schätzung nach § 252 BGB, § 287 ZPO) durch
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die von der statistischen Wahrscheinlichkeit konkret abweichende Lebenserwartung im Todeszeitpunkt (z.B. gesundheitsgefährdender Arbeitsplatz, schwere unfallfremde Erkrankung); |
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absehbare Veränderungen im gesundheitlichen Status (Anhaltspunkte für die Einschätzung der künftigen Leistungsfähigkeit, aber auch für eine abweichende Beurteilung der hypothetischen Lebenserwartung, können sich z.B. aus im Strafverfahren eingeholtem Obduktionsgutachten ergeben); |
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alters- oder gesundheitsbedingte Herabsetzung der körperlichen Leistungsfähigkeit (z.B. Wegfall von Überstunden, Wegfall oder Unwirtschaftlichkeit von Nebentätigkeiten); |
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positive (insbesondere berufliche) Weiterentwicklungen (z.B. Beförderung, Altersstufen, beruflicher Aufstieg; tarifliche Gehaltssteigerungen aber nur soweit, wie nicht durch den Kapitalisierungsfaktor bereits ausreichend kompensiert); |
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Verdiensteinbußen (z.B. durch Wegfall des Arbeitsplatzes, Wegfall von Nebentätigkeiten, vorzeitiges Ausscheiden aus dem Beruf; Verringerungen/Wegfall des Einkommens wegen überholender Kausalität); |
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Reduzierung des Nettoeinkommens nach hypothetischer Verrentung des Getöteten; |
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Mitarbeitspflicht im Haushalt nach Pensionierung. |
Rz. 505
Gründe überholender Kausalität können einen reduzierten Kapitalisierungsfaktor bedingen. Diese anderweitigen Umstände sind allerdings vom Schädiger vorzutragen und zu beweisen (§ 2 Rdn 473 ff.).