Rz. 23

Die Kapitalabfindung ist zumeist eine Mischkalkulation, die mathematisch von Kapitalisierung und Abzinsung begleitet wird:

Kapitalisierung laufender regelmäßiger Aufwendungen,
Abzinsung von künftigen Einzelaufwendungen und
Abzinsung einer erst in Zukunft beginnenden Rentenzahlung.

1. Kapitalisierung

 

Rz. 24

Bei der Kapitalisierung wird der gegenwärtige Wert laufender künftig anfallender Rentenleistungen ermittelt (Barwertberechnung einer Rente zur endgültigen Ablösung einer Rente): Es wird derjenige Kapitalbetrag bestimmt, der zusammen mit dem Zinsertrag ausreicht um während einer bestimmten Zeit (oder der durchschnittlich noch zu erwartenden Lebens- oder Erwerbsdauer) die eigentlich geschuldete Rente zu zahlen (siehe Abbildung 1.1, Rdn 281).

 

Rz. 25

Die einzelnen Berechnungsfaktoren[20] sind nach den Besonderheiten des Falles zu schätzen, wobei die Beteiligten Prognosen zur künftigen Entwicklung der Lebensumstände des Verletzten bzw. Getöteten und der wirtschaftlichen Daten wagen müssen.[21] Letztlich ist der Kapitalbetrag unter Abwägung der beiderseitigen Interessenlagen frei auszuhandeln.

[20] Siehe auch 57. VGT 2019, Arbeitskreis IV, Empfehlung 2: Bei der vergleichsweisen oder gerichtlichen Kapitalisierung sind neben der Laufzeit (etwa Verbesserung der Mortalität, Rentenzugangsalter insbesondere bei Selbstständigen und jungen Geschädigten) auch künftige personenbezogene Veränderungen (etwa Gehaltssteigerung, beruflicher Auf- und Abstieg, Arbeitsplatz- und Insolvenzrisiko, Vorerkrankungen) und wirtschaftliche Umstände (etwa Verwaltungskosten des Kapitals, Kapitalertragssteuer, gesamtwirtschaftliche Entwicklung) zu berücksichtigen. Beim Abfindungsvergleich bleibt es jedoch grundsätzlich der Vereinbarung der Parteien überlassen, mit welchen Rechenparametern der Kapitalbetrag errechnet wird.
[21] BGH v. 24.4.1990 – VI ZR 183/89 – DAR 1990, 296 = MDR 1990, 809 = NJW-RR 1990, 962 = NZV 1990, 307 = r+s 1990, 272 (nur Ls.) = VersR 1990, 907 = VRS 90, 257 = zfs 1990, 340; BGH v. 8.1.1981 – VI ZR 128/79 – BB 1981, 455 = BGHZ 79, 187 = DAR 1981, 46 = DB 1981, 786 = MDR 1981, 306 = NJW 1981, 818 = VersR 1981, 283 (Anm. Nehls) = VRS 60, 253 = zfs 1981, 105; BGH v. 28.11.1979 – IV ZR 83/78 – BB 1980, 126 = DAR 1980, 115 = MDR 1980, 387 = VerBAV 1980, 142 = VersR 1980, 132 = VRS 58, 178.

2. Abzinsung von Einmalaufwand

 

Rz. 26

Neben der Kapitalisierung von regelmäßig anfallenden Leistungen (etwa Renten, aber auch ständig wiederkehrenden Kosten wie z.B. Pflege oder Medikamente) können auch absehbare künftige Einmalaufwendungen (z.B. Kur, Rollstuhl, kosmetische Operation, prothetische Versorgung) bereits vor Beginn einer solchen Maßnahme durch Zahlung vor Fälligkeit abgefunden werden. In einem solchen Fall ist mit Hilfe eines Abzinsungsfaktors der im Abfindungszeitpunkt dann zu zahlende Betrag zu ermitteln. Siehe dazu Beispiel 1.14 (Rdn 620) und Beispiel 1.15 (Rdn 621).

3. Abzinsung einer in der Zukunft liegenden Rentenzahlung

 

Rz. 27

Hauptanwendungsfall einer Abzinsung künftiger Forderungen ist eine erst zu einem späteren Zeitpunkt (z.B. ab Erreichen des 60. Lebensjahres) startende regelmäßige Zahlung (z.B. unfallkausale Vorverrentung, stationäre Pflege im fortgeschrittenen Alter). Diese Situation wird durch Vermischung von Kapitalisierung und Abzinsung (doppelte Abzinsung) oder durch Differenzfaktoren[22] gelöst (siehe dazu auch Beispiel 1.14 [Rdn 620] und Beispiel 1.15 [Rdn 621]).

[22] Siehe auch Langenick/Vatter, Aus der Praxis für die Praxis: Die aufgeschobene Leibrente – ein Buch mit sieben Siegeln?, NZV 2005, 10 (Korrekturen NZV 2005, 406).

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge