I. Begriff des Handelsrechts
Rz. 1
Das Handelsrecht wird gemeinhin als Sonderprivatrecht der Kaufleute bezeichnet, gilt also nur für einen Ausschnitt des Privatrechtsbereichs: für die Kaufleute. Es unterstützt den Wirtschaftsverkehr durch Rechtsklarheit, Publizität und erhöhten Vertrauensschutz (§§ 5, 15, 366 HGB) und zielt auf eine rasche Abwicklung der Handelsgeschäfte (z.B. § 377 HGB: unverzügliche Mängelrüge).
Darüber hinaus zeichnet es sich durch eine stärkere Bindung an Bräuche und Gepflogenheiten (§ 346 BGB) sowie Professionalität (insb. Entgeltlichkeit, §§ 353, 354 HGB) aus. I.Ü. wird es von der Selbstverantwortung des Handelnden geprägt (z.B. §§ 348 ff. HGB).
Rz. 2
Das Handelsrecht ist eng mit dem bürgerlichen Recht verknüpft. Die Vorschriften des BGB kommen aber nur insoweit zur Anwendung, als nicht im HGB oder EGHGB ein anderes bestimmt ist (Art. 2 EGHGB). So ergänzt das Handelsrecht einerseits das BGB (z.B. das Kommissionsrecht nach §§ 383 ff. BGB das Geschäftsbesorgungsrecht der §§ 675, 662 ff. BGB) und verdrängt es andererseits (z.B. § 348 HGB den § 343 BGB, § 349 HGB die §§ 771, 778 BGB und § 350 HGB die §§ 766 Satz 1 und 2, 780, 781 Satz 1 und 2 BGB).
Rz. 3
Als Recht der Kaufleute ist das Handelsrecht insbesondere im Ersten und Vierten Buch des HGB, aber teilweise auch außerhalb des HGB kodifiziert. Zahlreiche Vorschriften sehen dabei unmittelbar die Kaufmannseigenschaft als Anwendungsvoraussetzung vor (z.B. §§ 17 ff., 238, 346 ff. HGB, §§ 29 Abs. 2, 38 Abs. 1 ZPO). Insoweit spricht man vom oben erwähnten Sonderprivatrecht der Kaufleute bzw. Handelsrecht im engeren Sinne. Kleingewerbetreibende sind nach § 1 Abs. 2 HGB seit dem Handelsrechtsreformgesetz vom 22.6.1998 grds. aus dem Anwendungsbereich des Handelsrechts ausgenommen. Dennoch sind verschiedene handelsrechtliche Normen doch wieder auf sie anwendbar. So verlangen die für Handelsvertreter, Handelsmakler und Kommissionäre geltenden Sonderregeln (§§ 84 Abs. 4, 93 Abs. 3, 383 Abs. 2 HGB) seit der Handelsrechtsreform vom 22.6.1998 und der Transportrechtsreform vom 25.6.1998 keine Kaufmannseigenschaft mehr. Darüber hinaus wird zur Anwendbarkeit des überwiegenden transportrechtlichen Regelwerks für den Frachtführer, Spediteur und Lagerhalter nur noch die Gewerblichkeit ihrer Unternehmen vorausgesetzt, nicht dagegen deren Kaufmannseigenschaft (§§ 407 Abs. 3 Satz 2, 453 Abs. 3 Satz 2, 467 Abs. 3 Satz 2 HGB). Insoweit kann man vom Sonderprivatrecht der Gewerbetreibenden oder dem Handelsrecht im weiteren Sinne sprechen.
II. Subjektives System des deutschen Handelsrechts
Rz. 4
In verschiedenen Rechtssystemen kann Anknüpfungspunkt für die Anwendbarkeit von Bestimmungen eines Handelsrechts entweder objektiv das Handelsgeschäft oder subjektiv der Kaufmannsbegriff sein. Das Allgemeine Deutsche Handelsgesetzbuch (ADHGB) von 1861 als Vorgängergesetz zum heutigen HGB stellte das Handelsgeschäft in den Mittelpunkt. Kaufmann war, wer ein solches Geschäft betrieb (objektives System). Das Handelsgesetzbuch von 1897 löste sich hiervon, definierte in den §§ 1 ff. HGB zunächst den Kaufmann und erklärte sodann dessen Geschäfte zu Handelsgeschäften (subjektives System). Dieses subjektive System gilt heute fort und wurde durch das Handelsrechtsreformgesetz von 1998 bekräftigt. Somit entscheidet die Kaufmannseigenschaft, ob eine Handelsregistereintragung erforderlich ist (§ 29 HGB), das Firmenrecht gilt (§ 17 HGB) oder die Regeln über Geschäftsbriefe (§ 37a HGB) sowie Buchführungs- und Rechnungslegungspflichten (§ 238 HGB) erfüllt sein müssen.
III. Verwandte Rechtsgebiete
Rz. 5
Im HGB finden sich neben den beschriebenen handelsrechtlichen Vorschriften zahlreiche weitere Regelungen. In den §§ 105 ff., 161 ff. und 230 ff. HGB sind die offene Handelsgesellschaft, die Kommanditgesellschaft und die stille Gesellschaft geregelt. Sie knüpfen im Grundsatz allesamt an das Handelsgewerbe als das sie prägende Element an. Insoweit leuchtet ihre Verortung im HGB ein. In der Rechtsanwendung und -diskussion werden sie allerdings richtigerweise überwiegend dem Gesellschaftsrecht zugeordnet. Zum Gesellschaftsrecht zählen auch die sonstigen Handelsgesellschaften (GmbH und AG), aber auch die Genossenschaft, der Verein und die GbR.
Rz. 6
Die Vorschriften über die Handelsbücher (§§ 238–342a HGB) sind ebenfalls im HGB festgeschrieben, werden aber häufig unter dem Begriff Bilanzrecht als eigenständige Materie behandelt. Sie regeln zwar Sonderrechte der Kaufleute, unterfallen aber nach traditioneller Ansicht dem öffentlichen Recht und nicht dem Privatrecht. Sonderprivatrecht im oben beschriebenen Sinne können sie daher nicht sein.
Rz. 7
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