I. Allgemeines
Rz. 8
Das HGB definiert den Kaufmannsbegriff an erster Stelle materiell über das Betreiben eines Handelsgewerbes (§§ 1, 105 Abs. 1 HGB). Daneben kann die Kaufmannseigenschaft auch durch formellen Eintragungsakt begründet werden. Kaufmann ist demnach auch, wer mit konstitutiver Wirkung in das Handelsregister eingetragen ist (§§ 2, 5, 105 Abs. 2 HGB) oder kraft Rechtsform mit der Registereintragung Kaufmann ist (§ 6 HGB, §§ 3 Abs. 1, 278 Abs. 3 AktG, § 13 Abs. 3 GmbHG, § 17 Abs. 2 GenG, § 1 EWIV-AusfG).
In der Praxis wird zur Bestimmung der Kaufmannseigenschaft typischerweise wie folgt vorgegangen: Zunächst wirft man einen Blick in das seit 1.8.2022 kostenfrei online abrufbare Handelsregister (https://www.handelsregister.de). Ist dort ein Unternehmen eingetragen, erübrigt sich jede weitere Prüfung. Die Kaufmannseigenschaft liegt vor. Fehlt dagegen eine Handelsregistereintragung, kann ein Unternehmen nur unter den Voraussetzungen des § 1 HGB Kaufmann sein (sog. "Istkaufmann"). Nach § 1 Abs. 1 HGB ist Kaufmann, wer ein Handelsgewerbe betreibt. Handelsgewerbe ist nach § 1 Abs. 2 HGB definiert als jeder Gewerbebetrieb, es sei denn, dass das Unternehmen nach Art und Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb nicht erfordert. § 1 HGB gibt damit das dreiteilige Prüfprogramm vor:
1. |
Gewerbe |
2. |
Betreiben des Gewerbes |
3. |
In kaufmännischer Weise eingerichteter Geschäftsbetrieb. |
II. Begriff des Gewerbes
Rz. 9
Im geltenden Recht gibt es keinen einheitlichen Gewerbebegriff. Das HGB selbst enthält keine gesetzliche Definition. Die Grundsätze zum Gewerbebegriff aus anderen Rechtsgebieten können zwar aufgrund der "Relativität der Rechtsbegriffe" nur mit Vorsicht übertragen werden. Allerdings kann auf die Rspr. zum Gewerbebegriff aus § 196 BGB a.F. aufgrund enger Überschneidungen nach wie vor verwiesen werden. Nach herrschender Meinung ist Gewerbe im handelsrechtlichen Sinne demnach jede äußerlich erkennbare, selbstständige, planmäßig auf gewisse Dauer, zum Zwecke der Gewinnerzielung angelegte oder jedenfalls wirtschaftliche Tätigkeit am Markt, die nicht freiberuf liche, wissenschaftliche und künstlerische Tätigkeit ist. Ob die Tätigkeit erlaubt sein muss, ist umstritten (vgl. Rdn 18). Im Einzelnen:
1. Äußerliche Erkennbarkeit und wirtschaftliche Tätigkeit am Markt
Rz. 10
Eine innere, für Dritte nicht erkennbare Absicht, wie z.B. stille Beteiligung an einem Handelsgewerbe oder das ständige Spekulieren mit Wertpapieren an der Börse, reicht allein nicht aus. Die Tätigkeit muss vielmehr nach außen in Erscheinung treten und anbietend sein. Daher betreibt eine Vermögensverwaltungsgesellschaft, wenn sie nicht nach außen hin auftritt, kein Gewerbe. Sie kann aber nach den §§ 6 Abs. 1, 105 Abs. 2, 161 Abs. 2 HGB Handelsgesellschaft sein (s. hierzu unten Rdn 71).
2. Planmäßige, auf Dauer angelegte Tätigkeit
Rz. 11
Die Absicht des Handelnden muss sich auf eine Vielzahl von Geschäften als Ganzes richten. Das Gewerbe darf also nicht nur gelegentlich betrieben werden. Unschädlich sind Unterbrechungen oder der Betrieb als Nebentätigkeit.
3. Selbstständigkeit
Rz. 12
Weitere unentbehrliche Voraussetzung eines Gewerbes ist die selbstständige Tätigkeit. Begrifflich kann man sich an die Legaldefinition der Selbstständigkeit in § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB anlehnen. Selbstständig ist danach, wer im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Die Selbstständigkeit muss hierbei rechtlich, nicht notwendigerweise wirtschaftlich sein.
4. Entgeltlichkeit und Gewinnerzielungsabsicht
Rz. 13
Die Rspr. verlangte für den Gewerbebegriff, dass der Betrieb auf Gewinnerzielung ausgerichtet ist. Es musste also die Absicht bestehen, einen Überschuss der Einnahmen über die Ausgaben zu erzielen. Ob dies tatsächlich geschieht, ist unbeachtlich.
Problematisch ist dieses Merkmal insbesondere bei karitativen Unternehmen und öffentlichen Versorgungsunternehmen. Solche Unternehmen können unter Umständen von vornherein nicht darauf ausgerichtet sein, Gewinne zu erzielen. Sie deswegen allerdings pauschal nicht als Gewerbe einzustufen, wäre merkwürdige Folge eines restriktiven Begriffsverständnisses. Die Rechtspraxis behilft sich, um praxisgerechte Ergebnisse zu erhalten, mit der Vermutung, dass Gewinne erzielt werden. Diese Vermutung ist jedoch überflüssig, wenn man mit starken Stimmen zu Recht auf das Kriterium der Gewinnerzielungsabsicht verzichtet. Stattdessen wird geprüft, ob eine ent...