Rz. 78
Ein Scheinkaufmann wird als Kaufmann behandelt, wenn die für allgemeine Rechtsscheintatbestände erforderlichen vier Voraussetzungen vorliegen:
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Rechtsscheintatbestand, |
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Zurechenbarkeit, |
(3) |
Schutzbedürftigkeit des Dritten sowie |
(4) |
Kausalität. |
1. Rechtsscheintatbestand
Rz. 79
Grundlage des Rechtsscheins kann ein – wie auch immer gearteter – Vertrauenstatbestand sein. Dieser kann ausdrücklich oder konkludent, in Worten oder in Taten begründet werden.
Beispiele
Auftreten eines Freiberuflers als Kaufmann, Auftreten von Gesellschaftern einer GbR unter der Firma einer KG, Auftreten als Vertreter für oder Gesellschafter einer nicht existierenden Gesellschaft, Inanspruchnahme kaufmännischer Einrichtungen.
Keine Rechtsscheingrundlage bieten dagegen allein die Benutzung von Briefbögen, die Eintragung in Branchenverzeichnissen oder die Teilnahme am Wechselverkehr. Solche Verhaltensweisen stehen auch Nichtkaufleuten offen.
2. Zurechenbarkeit des Rechtsscheins
Rz. 80
Der Rechtsschein muss zurechenbar veranlasst sein. Zurechenbarkeit bedeutet Einstehenmüssen für den gesetzten Rechtsschein. Dies kann ausdrücklich oder konkludent geschehen. Entscheidend ist, dass der Scheinkaufmann den Rechtsschein veranlasst oder gekannt und geduldet hat. Verschulden ist nicht erforderlich. Daher hat sich jemand, der sich als Kaufmann geriert, auch als solchen behandeln lassen, selbst wenn er selbst aufgrund eines unverschuldeten Irrtums an die Kaufmannseigenschaft geglaubt hat. Die Zurechenbarkeit ist unproblematisch zu bejahen, wenn jemand bewusst eine Firma gebraucht, wahrheitswidrig seine Kaufmannseigenschaft behauptet oder eine Prokura oder Handlungsvollmacht erteilt.
Rz. 81
Es genügt die objektive Vorhersehbarkeit, dass ein bestimmtes Handeln bei Dritten bzw. im Rechtsverkehr einen bestimmten Eindruck erwecken muss. Handelt es sich um ein Unterlassen, so muss zusätzlich ein Sorgfaltspflichtverstoß gegeben sein. Ist der Rechtsschein also zunächst ohne Zutun des Scheinkaufmanns entstanden, etwa durch Behauptungen Dritter, ist er ihm nur zurechenbar, falls der Scheinkaufmann davon nachträglich Kenntnis erlangt bzw. ihn wenigstens bei pflichtgemäßer Sorgfalt hätte erkennen können und nicht für die Beseitigung des Rechtsscheins sorgt.
Rz. 82
Von vornherein fehlt es an einer Zurechenbarkeit, wenn ein allgemeiner Zurechnungsausschluss vorliegt (z.B. Geschäftsunfähigkeit, beschränkte Geschäftsfähigkeit, vis absoluta). Im Übrigen ist der Zurechnungstatbestand nicht anfechtbar. Er kann also nicht rückwirkend beseitigt werden.
3. Schutzwürdigkeit des Geschäftsgegners
Rz. 83
Der Rechtsschein wirkt nur zugunsten eines gutgläubigen Dritten. Nach herrschender Meinung schadet bereits eine einfache Fahrlässigkeit. Der Dritte hat i.d.R. jedoch keine Nachforschungspflicht; etwas anderes kann nur gelten, wenn Anlass zu Zweifeln bestehen.
Hinweis
Mangels Nachforschungspflicht schadet auch nicht das Unterlassen einer Einsicht in das Handelsregister.
4. Kausalität des Rechtsscheins
Rz. 84
Erforderlich ist weiterhin, dass der Rechtsschein für das Verhalten des Dritten kausal war. An diese Tatbestandsvoraussetzung sind keine hohen Anforderungen zu stellen. Es ist nach den Erfahrungen des täglichen Lebens naheliegend anzunehmen, dass das Rechtsgeschäft im Vertrauen auf den Rechtsschein abgeschlossen worden ist.
Hinweis
Der Dritte muss i.d.R. die Tatsachen kennen, aus denen sich der Rechtsschein ergibt. Es genügt aber auch, wenn ihm zwar die besonderen Tatsachen, aus denen der Rechtsschein herzuleiten ist, unbekannt sind, ihm aber die allgemein bestehende Überzeugung von der scheinbaren Kaufmannseigenschaft mitgeteilt worden ist.