Rz. 75
Die Kündigungsfristen für Arbeitsverhältnisse richten sich in erster Linie nach dem Vertrag, mangels vertraglicher oder tarifvertraglicher Regelung nach § 622 BGB. Nach § 622 BGB gilt eine Grundkündigungsfrist von vier Wochen zum 15. oder zum Ende eines Kalendermonats. Vier Wochen sind dabei 28 Tage, nicht etwa ein Monat.
Rz. 76
Gem. § 622 Abs. 2 BGB verlängert sich die Kündigungsfrist bei einer Kündigung durch den Arbeitgeber in insgesamt sieben Stufen abhängig von der Dauer der Beschäftigung.
Rz. 77
Für die Berechnung der Dauer der Kündigungsfrist gem. § 622 Abs. 2 BGB ist der ununterbrochene rechtliche Bestand des Arbeitsverhältnisses zwischen den konkreten Arbeitsvertragsparteien entscheidend. Dabei ist davon auszugehen, dass keine relevante Unterbrechung vorliegt, wenn mehrere Arbeitsverträge unmittelbar aufeinander folgend geschlossen wurden und in einem engen sachlichen (inhaltlichen) Zusammenhang zueinander stehen. Für die Frage, ob dies so ist, kann auch die Dauer der Unterbrechung herangezogen werden. Es gelten dieselben Grundsätze wie im Rahmen des § 1 KSchG zur Berechnung der Wartefrist. Jedenfalls eine Unterbrechung von fünf Monaten ist zu lang, um einen engen Zusammenhang annehmen zu können. Ist die Beschäftigungszeit eines früheren Arbeitsverhältnisses anzurechnen, bleibt die zwischen den Arbeitsverhältnissen liegende Unterbrechungszeit unberücksichtigt. Geht das Arbeitsverhältnis nach § 613a BGB auf einen anderen Arbeitgeber über, ist die beim Betriebsveräußerer erbrachte Beschäftigungszeit anzurechnen, anders aber dann, wenn zwar eine Beschäftigung in demselben Betrieb erfolgte, nicht aber bei demselben Arbeitgeber und ohne dass ein Betriebsübergang vorgelegen hätte. Zeiten, die in einem anderen Konzernunternehmen zurückgelegt worden sind, sind demgegenüber nicht anrechenbar, es sei denn, dies wäre ausdrücklich anders vereinbart. Da es alleine auf den rechtlichen Bestand des Arbeitsverhältnisses ankommt, ist es unerheblich, ob das Arbeitsverhältnis gelebt wurde. Auch wenn beispielsweise eine Arbeitnehmerin nahezu das ganze Arbeitsverhältnis in Elternzeiten war, verlängern sich daher die Kündigungsfristen. Zeiten der Berufsausbildung werden auf die Wartezeit angerechnet. Zeiten, während derer ein Leiharbeitnehmer in den Betrieb des Entleihers eingegliedert war, sind in einem späteren Arbeitsverhältnis zwischen ihm und dem Entleiher regelmäßig nicht anzurechnen.
Rz. 78
§ 622 BGB gilt grundsätzlich für alle ordentlichen Kündigungen und für alle Arbeitnehmer. Er gilt deshalb auch für Teilzeitbeschäftigte oder geringfügig Beschäftigte. § 622 BGB gilt unabhängig von dem Geltungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes.
Rz. 79
Eine kürzere als die gesetzliche Kündigungsfrist nach § 622 Abs. 2 BGB kann gem. § 622 Abs. 3 BGB für die Dauer von sechs Monaten im Falle der Vereinbarung einer Probezeit gelten. In diesem Fall kann das Arbeitsverhältnis gesetzlich mit einer Frist von zwei Wochen gekündigt werden. Nach der zutreffenden Rspr. des BAG ist es nicht notwendig, dass die Parteien ausdrücklich die kurze Kündigungsfrist des § 622 Abs. 3 BGB vereinbaren. Ausreichend ist vielmehr, dass die Parteien eine Probezeit vereinbaren. Die verkürzte Kündigungsfrist gilt dann ipso iure. Die Kündigungsfristen und Termine gem. § 622 Abs. 2 BGB sind gem. § 622 Abs. 4 BGB tarifdispositiv.
Rz. 80
Praxishinweis
Da sehr viele Tarifverträge abweichende Kündigungsfristen und -termine vorsehen, ist der Rechtsanwalt gut beraten, eine etwaige Tarifgeltung vor Ausspruch einer Kündigung zu überprüfen.
Rz. 81
Auch in befristeten Arbeitsverhältnissen ist die ausdrückliche Vereinbarung einer Probezeit ausreichend, um während dieser Probezeit eine Kündbarkeit mit den kurzen Fristen des § 622 Abs. 3 BGB zu erreichen. Denn das Erfordernis der ausdrücklichen Zulassung der Kündigung nach § 15 Abs. 3 TzBfG unterliegt nicht dem Schriftformerfordernis gem. § 14 Abs. 4 TzBfG. Allerdings muss die Länge der Probezeit im Verhältnis zu der erwarteten Dauer der Befristung und der Art der Tätigkeit stehen, § 15 Abs. 3 TzBfG.
Rz. 82
Treffen einzelvertraglich vereinbarte Kündigungsfrist und gesetzliche Kündigungsfrist aufeinander, gilt grundsätzlich die für den Arbeitnehmer günstigere (= längere) Frist, zum Günstigkeitsvergleich in der Gesamtschau von Kündigungsfrist und Kündigungstermin siehe Rdn 85 ff.
Rz. 83
Sowohl § 622 BGB als auch viele Tarifverträge und einzelvertraglich vereinbarte Kündigungsbestimmungen enthalten neben der Kündigungsfrist auch die Festlegung eines Kündigungstermins. Die Kündigung zum 15. gem. § 622 Abs. 1 BGB entfaltet ihre Wirkung zum Ablauf des 15. des jeweiligen Monats, also dem 15., 24:00 Uhr. Die Kündigung zum Ende des Monats wirkt zum 30., 24:00 Uhr.
Rz. 84
Die einzelvertragliche Vereinbarung von Kündigungsfrist und Kündigungstermin ist mangels anderer Anhaltspunkte regelmäßig als Einheit zu betrachten. Ein Vermischen von Kündigungsfristen und Kündigungsterminen je...