Julian Backes, Sven Eichler
a) Allgemeines
Rz. 112
Die gesetzliche Neuregelung des Mess- und Eichwesens, durch das Gesetz über das Inverkehrbringen und die Bereitstellung von Messgeräten auf dem Markt, ihre Verwendung und Eichung sowie Fertigpackungen (Mess- und Eichgesetz – MessEG) vom 25.7.2013 und die Verordnung übers Inverkehrbringen und die Bereitstellung von Messgeräten auf dem Markt sowie über ihre Verwendung und Eichung (Mess- und Eichverordnung – MessEV) vom 11.12.2014, beide in Kraft getreten am 1.1.2015, hat einige grundlegende Änderungen mit sich gebracht.
Im Bereich der Verkehrsordnungswidrigkeiten gab es dabei Neuerungen, die für die Praxis des Verteidigers von großer Relevanz sind. Die PTB wird als staatliche Zulassungsbehörde abgeschafft. An ihre Stelle treten sogenannte Konformitätsbewertungsstellen, die in privatwirtschaftlichem Auftrag die Aufgaben der früheren Zulassung übernehmen. Diese "Privatisierung des Zulassungsverfahrens" stellt die bisherigen Regeln der Rechtsprechung in Bezug auf das standardisierte Messverfahren grundsätzlich in Frage:
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Kann eine Konformitätsbewertung, die von privaten Stellen vorgenommen wird, überhaupt eine ähnliche Vertrauenswirkung entfalten, wie eine Bauartzulassung einer staatlichen technischen Oberbehörde? |
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Welches Maß an Transparenz und damit verbundener Überprüfbarkeit der Messverfahren ist notwendig, um dieses Vertrauen aufbauen zu können? |
b) Der Vergleich der Regelungen
Rz. 113
Im bis 31.12.2014 gültigen System der Zulassung und Eichung war vorgesehen, dass ein Hersteller eines Geschwindigkeitsmessgerätes eine Bauartzulassung bei der PTB erlangen musste (s. Rdn 45 ff.). Wie bereits dargelegt war diese Bauartzulassung die Voraussetzung für eine Ersteichung des Messgeräts, die wiederum Voraussetzung für den amtlichen Einsatz von Messgeräten nach dem EichG war. Während der Verwendung erfolgten dann nach Ablauf eines vorgeschriebenen Zeitraums oder unter bestimmten Voraussetzungen Nacheichungen.
Rz. 114
Mit Einführung des MessEG wurde die bisherige Bauartzulassung ersetzt. Der Hersteller eines Messgeräts muss sich nun zunächst einer in einer Rechtsverordnung nach § 30 Nr. 3 MessEG festgelegten Konformitätsbewertung unterziehen. Diese wird von einer Konformitätsbewertungsstelle (KBS) durchgeführt.
Rz. 115
Teil der Konformitätsbewertung ist die Baumusterprüfung. Als derzeit einzige Stelle erteilt die PTB als Konformitätsbewertungsstelle nach § 14 Abs. 1 MessEG die Baumusterprüfbescheinigungen.
Danach agiert die PTB nach MessEG nun in mehreren Rollen:
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Privatrechtlich erteilt sie als KBS Baumusterprüfbescheinigungen. |
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Die Bundesbehörde PTB berät die Landesbehörden (Eichämter) bezüglich der Durchführung der Gesetze. |
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Ebenfalls als Bundesbehörde beurteilt sie Fragen des gesetzlichen Messwesens, betreibt wissenschaftliche Forschung auf diesem Gebiet und unterstützt Normung und Standardisierung. |
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Außerdem wird die PTB als Teil des Regelermittlungsausschusses eingesetzt (s. Rdn 123). |
Rz. 116
Die wesentlichen Anforderungen, die ein Messgerät erfüllen muss, sind in § 7 MessEV konkretisiert.
Für den Ablauf der Konformitätsbewertung werden dem Hersteller verschiedene Auswahlmöglichkeiten angeboten. So kann er nicht nur die KBS selbst wählen, er kann für die Konformitätsbewertung auch aus verschiedenen Modulen wählen bzw. diese unterschiedlich kombinieren. Für die hier interessanten Geräte zur Überwachung im Straßenverkehr kommen hierfür lediglich die Kombinationen der Module B und D bzw. B und F in Frage (vgl. § 9 Abs. 2 Nr. 1 MessEV).
Wurde das Messgerät konformitätsbewertet, erklärt der Hersteller selbst die Konformität seines Messgeräts mit den gestellten Anforderungen (Konformitätserklärung).
Während der eigentlichen Verwendung erfolgt, wie bisher auch, die (Nach-)Eichung durch die zuständige Eichbehörde. Eine "Ersteichung" im klassischen Sinn gibt es nicht mehr.