Julian Backes, Sven Eichler
Rz. 231
Da, wie durch die PTB festgelegt, die WVZ-Anlage und deren Schnittstelle nicht Gegenstand von Gerätezulassung und Eichung ist, bleibt auch vollkommen im Unklaren, ob und durch wen hier eine regelmäßige Prüfung stattfindet. Eine regelmäßige Wartung durch den Hersteller kann hier in keinem Fall adäquat sein, da ein Hersteller oder ein Servicebetrieb völlig andere Prioritäten hat (und auch haben muss) als z.B. ein Eichamt. Die regelmäßige Prüfung der Fahrzeugsicherheit wird eben auch gerade nicht den Werkstätten überlassen, sondern dafür sind, aus gutem Grund, Organisationen wie z.B. TÜV, Dekra usw. zuständig.
Rz. 232
Zusammenfassend ist zu diesen Punkten zu sagen, dass es hier aus technischer Sicht dringend geboten ist ein zweigeteiltes Prüfverfahren, wie bei Messgeräten, durchzuführen. Selbstverständlich müssten dann auch alle Grundlagen dieser Prüfung offengelegt werden. Und ebenso selbstverständlich wären dann nach der Zulassungsprüfung durchgeführte Soft- oder Hardwareänderungen nicht mehr zulässig bzw. würden eine erneute Zulassungsprüfung nach sich ziehen.
Rz. 233
Ein weiteres sehr wichtiges Problemfeld ist die Datensicherheit.
Rz. 234
Die PTB schreibt in Kapitel 3.4 der PTB-Anforderungen (PTB-A 18.11) vor:
Zitat
"Vom Gerät sind die Bildauslösungsgrenzwerte und die für die Stellzustände des Anzeigequerschnittes (ggf. auch die Stellzustände des zweiten Anzeigequerschnittes) mit Zeitstempeln in Dateien zu protokollieren."
Eine inhaltlich identische, lediglich anders formulierte Anforderung findet sich in den PTB-A12.01, und neu in den PTB-A 12.12.
Rz. 235
Diese Protokollierung geschieht bis dato in Form von z.B. bei Traffistar, S 330, 2 Klartextdateien ohne jeglichen Schutz in Form von Checksummen, Hashwerten oder Ähnlichem. Zu den Möglichkeiten des Schutzes sei auf die sehr ausführlichen Grundlagenkapitel zu diesen Problemfeldern hier im Buch verwiesen (Rdn 276 ff.).
Rz. 236
Heute stellt sich die Lage so dar, dass die dem Gutachter übergebenen Dateien keinerlei Schutz gegen Manipulation bieten und mit jeder handelsüblichen Textverarbeitung oder einem Editor (im Lieferumfang von Windows enthalten) manipuliert oder gleich komplett selbst erzeugt werden können.
Rz. 237
Bei Durchsicht solcher Protokolle ergeben sich auch immer wieder Hinweise, die für ein nicht ordnungsgemäßes Arbeiten der WVZ-Anlagen sprechen. Z.B. kam es bei Anlagen in Helmstedt zu völlig abwegigen Schaltzuständen, bei denen nachts um 2:00 Uhr ein niedriges Tempolimit wegen Stau geschaltet wurde. Auf der Fotografie eines Betroffenen war dann aber nur ein einziges Fahrzeug zu sehen, obwohl ein weiter Bereich der Autobahn abgebildet war. Wie der Lokalpresse entnommen werden konnte sind dort des Öfteren solche und ähnliche Probleme aufgetreten.
Rz. 238
Ein ebenfalls sehr interessantes Phänomen sind Spinnen, die die teure Sensorik der WVZ-Anlagen lahmlegen. Hier muss aus technischer Sicht die Frage erlaubt sein, warum Geräte, die so nachlässig konstruiert sind, dass sie einen Spinnenfaden nicht von Nebel unterscheiden können, die Basis für eine OWi-Anzeige, die empfindliche Strafen bis zum Führerscheinentzug nach sich ziehen kann, liefern dürfen.
Rz. 239
Ob ein Verkehrsteilnehmer mit solchen Anzeigen rechnen muss und wie er darauf reagieren soll, wenn offensichtlicher Unsinn angezeigt wird, unterliegt dann aber selbstverständlich wieder der juristischen und nicht der technischen Würdigung.
Rz. 240
Leider wurden diese Schilderbrücken dann wegen "Schäden an der Stahlkonstruktion" abgebaut bevor sie ausführlich unabhängig untersucht werden konnten.
Zwischenzeitlich hat ein Gutachter in einem Fall auf der A3 bei Köln festgestellt, dass am Heumarer Dreieck die Datenaufzeichnung nicht mit einer Videoaufnahme der WVZ-Anlage übereinstimmte und demzufolge Autofahrer fälschlich beanzeigt wurden.
Rz. 241
Wenn diese Probleme nun alle zusammenfassend betrachtet werden, stellt sich die wichtige Frage, ob die derzeitige Herangehensweise zum Beleg der vorgeschriebenen Geschwindigkeit zielführend ist und sein kann.
Rz. 242
Wenn davon ausgegangen wird, dass der Fahrzeugführer seine Informationen für den sicheren Betrieb seines Fahrzeugs im Wesentlichen durch seine Augen bekommt, dann wäre es doch sinnvoll eine solche visuelle Datenaufzeichnung auch zur Basis der zulässigen Geschwindigkeit bei der Beanzeigung zu machen. Vorstellbar wäre z.B. aus einer Entfernung von 50 m die Schilderbrücke mittels einer Videokamera zu beobachten.
Eine doppelte, voneinander unabhängige, Zeiteinblendung (Beispiel Zeitquelle GPS-Signal + DCF77) könnte die zeitliche Zuordnung sicherstellen. Gleichzeitig würde der Film dieser Kamera auch Rückschlüsse auf Umgebungsbedingungen wie Stau oder Regen, Nebel zulassen. Somit könnte nicht nur die Anzeige, sondern auch noch Steuerung der WVZ-Anlage überwacht werden, was wertvolle Informationen zur Optimierung dieser liefern würde.
Rz. 243
Gleichzeitig wären Fragen wie Gerätezulassung und regelmäßige Prüfungen (zumindest für ...