Julian Backes, Sven Eichler
Rz. 1280
Der Beobachtungsfehler/Abstandsfehler wird bei allen Messmethoden durch Nachfahren oftmals unterschätzt und vernachlässigt. Hierdurch entstehen jedoch meist die größten Messfehler.
Hinweis
Bei dieser Messmethode ist zu bedenken, dass prinzipiell nicht die Geschwindigkeit des vorausfahrenden Fahrzeuges ermittelt wird, sondern die Eigengeschwindigkeit des Messfahrzeuges.
Rz. 1281
Erst unter Abstandsbetrachtungen kann die so ermittelte Geschwindigkeit auf das gemessene Fahrzeug übertragen werden.
Rz. 1282
Hierbei sind zahlreiche Einflussmöglichkeiten auf eine lediglich kurzfristige Beobachtung des Beamten zu berücksichtigen, z.B.:
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mit zunehmender Entfernung zum Objekt wird die Entfernungsschätzung fehlerhafter, |
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Verkehrsdichte, Lichtverhältnisse und Witterungsverhältnisse können die Beobachtung erschweren, |
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bei der Annäherung an das zu messende Fahrzeug sind Geschwindigkeitsschätzungen nur eingeschränkt möglich, |
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Geschwindigkeitsschwankungen des Messfahrzeuges und/oder beim gemessenen Fahrzeug erschweren die Feststellung der Größenordnung von Abstandsschwankungen, |
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je höher die Geschwindigkeit ist, umso schwieriger gestaltet sich eine an Bezugsobjekten (z.B. Leitpfosten) orientierte Abstandsschätzung. |
Rz. 1283
Bei diesen Messvorgängen muss man sich immer vor Augen halten, dass dem Messpersonal für seine Feststellungen nur kurze Zeitspannen zur Verfügung stehen, in denen es zahlreiche andere Aufmerksamkeitsvorgänge bewältigen muss, die oftmals eine größere Konzentration verlangen als der Messvorgang selbst. Dabei besteht – bis auf die Messverfahren, in denen eine Videodokumentation erfolgt – nur einmalig die Beobachtungsmöglichkeit für den Messablauf.
Hier stellt sich nunmehr die Frage, in welcher Größenordnung die geschätzten Abstände als falsch zu unterstellen sind. Genaue Untersuchungen wurden hierzu nach diesseitiger Kenntnis noch nicht durchgeführt. Aber schon im Stand durchgeführte Schätzungen einer 50 m Strecke lassen Fehler von bis zu 10 m zu. So kann im Fahrbetrieb eine Entfernung von 40 m ebenso wie eine Entfernung von 70 m durchaus als 50 m eingestuft werden.
Hinweis
Der Schätzfehler zu Messbeginn kann sich bei einem Messvorgang zu Messende wiederholen.
Rz. 1284
Bei einer Messentfernung von ca. 50 m darf also unterstellt werden, dass zu Messbeginn die Messentfernung 70 m und zu Messende 40 m betragen haben kann, ohne dass dem Messpersonal dies, auch bei entsprechender Aufmerksamkeit und Sorgfalt, aufgefallen sein muss.
Rz. 1285
Was bedeutet ein Messfehler in dieser Größenordnung?
Unter den oben angeführten sonstigen Fehlerbetrachtungen wurde die Eigengeschwindigkeit des Messfahrzeuges durch Ablesen am Tachografen bestimmt. Wenn diese Geschwindigkeit auf das vorausfahrende Fahrzeug übertragen werden soll, muss der Abstand zu Messbeginn und Messende gleich groß sein, da nur in diesem Fall beide Fahrzeuge gleich schnell gefahren sind.
Hat sich allerdings der Abstand zwischen Messbeginn und Messende vergrößert, so wurde das gemessene Fahrzeug mit einer höheren als der festgestellten Geschwindigkeit geführt.
Im umgekehrten Fall wurde das vorausfahrende Fahrzeug mit einer geringeren als der Messgeschwindigkeit gefahren, wenn sich der Abstand zu Messende verkleinert hat.
Hinweis
Der Schätzfehler ist bei geringen Entfernungen und langsamen Geschwindigkeiten im Normalfall kleiner als bei größeren Messabständen und höheren Geschwindigkeiten; eine lineare Steigerung darf hierbei jedoch nicht unterstellt werden.
Rz. 1286
Wie wirkt sich der Messfehler auf das Messergebnis aus?
Angenommen, der Abstand wird gleich bleibend auf 100 m geschätzt. Tatsächlich beträgt der Abstand jedoch zu Messbeginn 130 m und zu Messende 80 m. Dann beträgt der Schätzfehler für die Messung insgesamt 50 m.
Betrug die Messstrecke 500 m, so liegt die Größe des "Schätz- oder Auffahrfehlers" demnach bei 10 % der Wegstrecke – und damit auch bei 10 % des Messwertes.
Angenommen, die Messstrecke betrug 1.000 m, so ist die absolute Fehlergröße gleich geblieben, die relative Fehlergröße bezogen auf die Messstreckenlänge reduziert sich aber auf 5 % der festgestellten Geschwindigkeit.
Da es allerdings in der Praxis Nachfahrstrecken von 200 m gibt, ist das Problem der Abstandsschwankung immer im Einzelfall und keineswegs pauschal zu betrachten, denn hier wirkt sich der oben beschriebene Schätzfehler bereits in der Größenordnung von 25 % aus.