Julian Backes, Sven Eichler
Rz. 1384
Das nächste Fallbeispiel zeigt eine Messung, bei der ein großer (Nachfahr-)Abstand zwischen dem Messfahrzeug und dem gemessenen Fahrzeug festzustellen ist. Erschwerend kommt hierbei hinzu, dass die Messung an einem Krad durchgeführt wurde.
Das folgende Bild dokumentiert das ermittelte Messergebnis von abgerundet 83 km/h. Die Messung erfolgte über eine Wegstrecke von 205 m bei einer Messzeit von 8,83 s.
Nach Toleranzbetrachtung ergibt sich somit ein vorwerfbarer Geschwindigkeitswert von abgerundet 78 km/h. Das gemessene Krad wurde mit einem Pfeil gekennzeichnet.
Abbildung 21: Dateneinblendung Messwert
Rz. 1385
Bei Überprüfung der Videosequenz ist bereits rein optisch festzustellen, dass sich das Messfahrzeug dem gemessenen Krad innerhalb der Messstrecke deutlich annähert. Somit ist eine Abstandsverringerung zwischen den Fahrzeugen innerhalb der Messstrecke gegeben und die Eigengeschwindigkeit des Messfahrzeug demzufolge nicht in voller Höhe auf das gemessene Krad zu übertragen.
Die beiden folgenden Bilder zeigen die entsprechenden Positionen des gemessenen Krads bei Messbeginn und Messende, wobei hier zusätzlich die Abbildungsgröße des gemessenen Krades (Radaufstandspunkt bis Oberkante Kennzeichen) markiert wurde.
Die fehlende Dateneinblendung (dritte Datenzeile oben rechts) dokumentiert, dass die Brennweite des Aufnahmeobjektivs der Videokamera feststehend ist. Somit kann die Abbildungsgröße des vorausfahrenden Fahrzeugs als Maß für den Abstand verwendet werden.
Rz. 1386
Durch Vergleich der Abbildungsgröße des gemessenen Krads, welche bei Messbeginn 21 Bildpunkte und bei Messende 30 Bildpunkte beträgt (vgl. Abb. 22 und 23), ist eindeutig festzustellen, dass sich diese während der Messung vergrößert hat, d.h., dass das Messfahrzeug auf das gemessene Fahrzeug aufgeschlossen hat.
Abbildung 22: Messbeginn – 21 Bildpunkte
Abbildung 23: Messende – 30 Bildpunkte
Rz. 1387
Eine Auswertung der Abstandsverringerung zwischen den Fahrzeugen innerhalb der Messstrecke ist aufgrund der großen Messentfernung zwischen dem Messfahrzeug und dem gemessenen Krad nicht möglich, da entsprechende Bezugspunkte auf der Fahrbahnoberfläche (Leitlinien o.ä.) zur Abstandsbestimmung zwischen Messbeginn und Messende nicht mehr zu erkennen sind.
Die Auswertung der Messung und die Ermittlung der tatsächlichen Geschwindigkeit des gemessenen Fahrzeuges lässt sich daher nur noch unter Berücksichtigung der Abbildungsgrößenveränderung des gemessenen Fahrzeuges zwischen Messbeginn und Messende (ähnlich ViDistA) durchführen.
Rz. 1388
Zur Auswertung der Messung anhand der Abbildungsgrößenveränderung wurde im Zuge der Videoauswertung die Abbildungsgröße des gemessenen Fahrzeuges im Verhältnis eines (annähernd) exakt zu bestimmenden Abstandes berechnet, um ein Referenz-/Kalibriermaß zu bilden.
Anhand der berechneten Abbildungsgröße und des ermittelten Kalibrierfaktors lässt sich der Abstand zwischen dem Messfahrzeug und dem gemessenen Motorrad bestimmten. Im Ergebnis der Auswertung wurde ein (rechnerischer) Abstand zwischen den Fahrzeugen von 118,67 m bei Messbeginn und 83,07 m bei Messende ermittelt.
Unter Berücksichtigung der bei einer ViDistA-Auswertung anzusetzenden Toleranz von 3 % auf jede Abstandsbestimmung ergibt sich somit eine Abstandsverringerung innerhalb der Messstrecke von 41,65 m.
Um diese maximale Auffahrstrecke des Messfahrzeuges ist die Messstreckenlänge zu korrigieren.
Nach Abzug der maximalen Auffahrstrecke des Messfahrzeuges innerhalb der Messstrecke sowie der vorgeschriebenen Toleranz von 5 km/h ergibt sich somit eine vorwerfbare Geschwindigkeit von (abgerundet) 61 km/h.
Rz. 1389
Auch dieses Fallbeispiel dokumentiert, dass evtl. Messfehler bei der Messdurchführung seitens der Behörde oftmals nicht festgestellt bzw. gewürdigt werden.