Julian Backes, Sven Eichler
Rz. 325
Wurde mit einem zugelassenen und geeichten Messgerät eine Geschwindigkeit gemessen, so stellt dies eine dem Stand der Technik entsprechende Annäherung an die tatsächlich vom gemessenen Fahrzeug gefahrene Geschwindigkeit dar. Man darf annehmen, dass die gemessene Geschwindigkeit mit einer hohen Wahrscheinlichkeit innerhalb der Verkehrsfehlergrenze um die tatsächlich gefahrene Geschwindigkeit liegt.
Soll die Messung im Rahmen eines Gutachtens untersucht werden, so muss eine unabhängige Überprüfung des vorgeworfenen Geschwindigkeitswertes nach dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik erfolgen. Es erfolgt also im Rahmen eines Gutachtens erneut nach verschärften Maßstäben eine Annäherung an die tatsächlich vom gemessenen Fahrzeug gefahrene Geschwindigkeit.
Diese Annäherung wird erst durch das Vorhandensein von Rohmessdaten ermöglicht.
Rz. 326
Im Fall des ES3.0 erfolgt diese Überprüfung zumeist in Form einer Auswertung der Rohmessdaten durch Korrelationsrechnung. Dieses statistische Rechenverfahren ist bereits seit langer Zeit in Wissenschaft und Technik etabliert.
Eine Offenlegung der vom Gerätehersteller angewandten Rechenoperationen ist insofern gar nicht von Interesse. Es soll ja eine unabhängige Annäherung an das Geschehen während der Messung erfolgen.
Hinweis
Die regelmäßig gebrachten Einwendungen, es sei ein bestimmtes Programm zu verwenden, weil dieses den gleichen bei der Zulassung geprüften Programmbaustein verwende wie das Messgerät, gehen aus dem gleichen Grund fehl. Wenn die Rohmessdaten ein zweites Mal mit dem gleichen Programmbaustein ausgewertet werden, dann ist dies keine unabhängige Prüfung, sondern nur eine Wiederholung des Rechenvorgangs, der zum vorgeworfenen Messwert geführt hat.
Die Rohmessdaten liegen vor und ein Rechenverfahren, nach dem sie ausgewertet werden können, ist benannt. Das ist vollkommen ausreichend.
Rz. 327
Ziel und Zweck des Umgangs mit Rohmessdaten ist die unabhängige Überprüfung des vorgeworfenen Messwerts nach wissenschaftlich gesicherten Methoden. Der Sachverständige hat hierbei die Methoden und Rechenschritte bei der Auswertung nachvollziehbar darzulegen, insbesondere dann, wenn Abweichungen vom gemessenen Geschwindigkeitswert auftreten. Dies ist für die Überzeugungsbildung des Gerichts unabdingbar.
Werden die Rohmessdaten als Beweismittel jedoch verweigert, wird eine unabhängige Überprüfung der Messung nach dem Stand von Wissenschaft und Technik verhindert. Rohmessdaten zurückzuhalten bedeutet, das Abbild des Geschehens zum Zeitpunkt der Messung zurückzuhalten.
Nur wenn die Rohmessdaten zur Verfügung stehen, kann eine unabhängige wertfreie Überprüfung der Messung erfolgen.