Julian Backes, Sven Eichler
Rz. 1391
Die beiden folgenden Fallbeispiele zeigen jeweils eine fehlerhafte nachträgliche Auswertung. In beiden Fällen wurde jeweils mit einem Krad das Fahrverhalten eines anderen Krads aufgezeichnet und die Geschwindigkeit nachträglich vom Messpersonal als sog. Auto2-Messung ausgewertet. Hierbei wurde eine Abstandsvergrößerung bzw. ein gleichbleibender Abstand ermittelt.
Rz. 1392
Fallbeispiel 1 zeigt eine Abstandsverringerung innerhalb der Messstrecke, die sich unter Berücksichtigung der Abbildungsgrößenveränderung und unter erhöhter Toleranzbetrachtung bestimmen lässt.
Konkret wurde bei einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h außerhalb geschlossener Ortschaften eine Geschwindigkeitsüberschreitung um 48 km/h beanzeigt.
Die vom Auswertepersonal gewählten Positionen wurden in einem Beiblatt zur Geschwindigkeitsauswertung dokumentiert. Die Auswertung erfolge demnach über eine Wegstrecke von 107 m bei einer Messzeit von 3,72 s (jeweils vor Berücksichtigung der Verkehrsfehlergrenze). Nach Berücksichtigung der Verkehrsfehlergrenzen für die Wegstrecken- und Zeitmessung (vgl. Rdn 1360) ergibt sich für das Messfahrzeug eine Durchschnittsgeschwindigkeit von abgerundet 98 km/h.
Rz. 1393
Gemäß Beiblatt wurde bei Auswertebeginn eine Abbildungsgröße von 6,5 cm und bei Auswerteende von 6,4 cm ermittelt. Die hierzu in der Akte enthaltenen Fotoprints zeigen, dass für diese Bestimmung die Höhe zwischen dem Radaufstandspunkt und der Oberkante des Kennzeichens herangezogen wurde. Allerdings liefern schon diese (qualitativ schlechten) Fotoprints Hinweise darauf, dass die obere Messlinie bei Auswerteende zu Ungunsten innerhalb des Kennzeichens gesetzt wurde.
Die folgenden Abbildungen zeigen die entsprechenden vom Messpersonal festgelegten Positionen zu Beginn und Ende der Auswertung, wobei hier zusätzlich Abbildungsgröße (Höhe – Radaufstandspunkt bis Oberkante Kennzeichen) des gemessenen Krads markiert ist.
Hierbei ist zunächst festzustellen, dass die Bestimmung der Abbildungsgröße aufgrund der relativ großen Messentfernung (rechnerischer Abstand von etwa 100 m bis 120 m) nur eingeschränkt möglich ist, da sich die Konturen nur noch bedingt bestimmen lassen.
Werden die Messlinien möglichst gleichermaßen an die Bezugspunkte herangeführt, so ergibt sich bei Beginn eine Abbildungsgröße von 24 Bildpunkten und bei Ende von 26 Bildpunkten, d.h. dass das Messfahrzeug auf das gemessene Krad aufgeschlossen hat.
Abbildung 27a: Auswertebeginn – 24 Bildpunkte
Abbildung 27b: Auswertebeginn – 24 Bildpunkte mit Ausschnittvergrößerung
Abbildung 27c: Auswerteende – 26 Bildpunkte
Abbildung 27d: Auswerteende – 26 Bildpunkte mit Ausschnittvergrößerung
Rz. 1394
Die Auswertung der Abstandsverringerung innerhalb der vom Auswertepersonal festgelegten Strecke von lediglich 107 m ist hier aufgrund der Entfernung nur noch unter Berücksichtigung der Abbildungsgrößenveränderung im Videobild (ähnlich der behördlichen ViDistA-Auswertung) möglich.
Der nach Bildung des Referenzmaß am gemessenen Krad ermittelte rechnerische Abstand ergibt sich mit 113,6 m bei Auswertebeginn und 104,87 m bei Auswerteende. Da die Messlinien zur Ermittlung der Abbildungsgröße, wie bereits beschrieben, möglichst gleichermaßen an die Bezugspunkte heran gesetzt wurden, sind vorliegend evtl. Fehler bei der Abbildungsgrößenbestimmung in der Größenordnung von jeweils mindestens 1 Bildpunkt insofern jedoch nicht auszuschließen.
Rz. 1395
Bei der ViDistA-Auswertung ist üblicherweise eine Toleranz von 3 % auf jede Abstandsbestimmung vorgeschrieben. Eine Veränderung um lediglich einen Bildpunkt ergibt in Bezug zu einer Abbildungsgröße von 25 Bildpunkten vorliegend allerdings bereits einen um 4,19 m geringeren bzw. 4,54 m größeren Abstand und spricht somit im Mittel einer Abweichung von etwa 4 % (= 4,36 m).
Unter Zugrundelegung einer Toleranz von 4 % auf die jeweilige Abstandsbestimmung bei Beginn und Ende der Auswertung errechnet sich für das gemessene Krad eine vorwerfbare Durchschnittsgeschwindigkeit von abgerundet 81 km/h.
Rz. 1396
Weiterhin wurde die Durchschnittsgeschwindigkeit im Zuge der Videoauswertung zusätzlich als Fix-/Festpunktmessung (vgl. Rdn 1367) etwas außerhalb der vom Messbeamten gewählten Positionen anhand der teilweise vorhandenen Schattenwürfe ausgewertet. Die Positionen zu Beginn/Ende der Zeit- und Wegstreckenmessung wurden dabei so gewählt, dass die Zeitmessung gegenüber der Wegstreckenmessung zugunsten des gemessenen Fahrzeuges verlängert wurde.
Im Ergebnis der Auswertung wurde für das gemessene Fahrzeug nach Berücksichtigung der Verkehrsfehlergrenzen eine vorwerfbare Geschwindigkeit von ebenfalls abgerundet 81 km/h ermittelt.
Rz. 1397
Bei Fallbeispiel 2 sind die vom Auswertepersonal gewählten Positionen ungeeignet den beanzeigten Tatvorwurf zu belegen. Eine Geschwindigkeitsüberschreitung war bei der Videoauswertung zu bestätigen, die Ermittlung der vorwerfbaren Geschwindigkeit aufgrund des Streckenverlaufs sowie des großen Nachfahrabstandes allerdings nur unabhängig außerhalb...