Julian Backes, Sven Eichler
Rz. 1294
Im Folgenden wird noch gesondert auf die Verwendung sogenannter Dash-Cams beim Messen durch Nachfahren eingegangen.
Rz. 1295
Die Auswertung der Beweismittel in OWi-Verfahren zeigt, dass beim Messen durch Nachfahren mit nicht geeichtem Tachografen zunehmend auch sogenannte Dash-Cams Verwendung finden.
Rz. 1296
Diese werden dabei jedoch nicht ausschließlich lediglich zur Dokumentation des Fahrverhaltens genutzt, sondern teilweise sogar als eigenständiges "Messgerät" verwendet. Dabei werden aufgrund der gefertigten Videoaufzeichnung oftmals geringere Toleranzabzüge (z.B. lediglich 10 % anstatt 20 %, vgl. Rdn 1291) berücksichtigt sowie nur unzureichende Protokollierungen zu den getroffenen Feststellungen während des Messvorgangs (vgl. Rdn 1289) vorgenommen.
Rz. 1297
So zeigt bspw. die Auswertung von Ermittlungsakten in NRW, dass eine DashCam des Herstellers Rollei, Modell CAR-DVR110 (im Weiteren kurz Rollei), als "Messgerät" genutzt wird. Die Gestaltung entsprechender Textvordrucke in den Aktenblättern legt nahe, dass dies bewusst und offenbar auch regelmäßig geschieht.
In der Videoaufzeichnung der Rollei wird ein Geschwindigkeitswert eingeblendet, der anhand von GPS-Daten ermittelt wird. Nach Aktenlage wurde vom, anhand der GPS-Daten ermittelten, Geschwindigkeitswert anschließend eine Toleranz von 10 % in Abzug gebracht.
Rz. 1298
Zunächst ist bezogen auf das konkrete Beispiel mit der Verwendung des "Messgeräts" Rollei festzustellen, dass bereits die Erlasslage in NRW zur beweissicheren Verkehrsüberwachung ausschließlich die Verwendung eines zugelassenen und gültig geeichten Messgeräts vorschreibt. Unabhängig davon stellt sich die Lage nach den Vorgaben in MessEG (vgl. § 4, § 6) und MessEV (vgl. § 1) für die Autoren als juristische Laien so dar, dass ein Messgerät, welches im amtlichen Verkehr, also bei der amtlichen Überwachung des öffentlichen Verkehrs, nur nach erfolgter Zulassung oder Baumusterprüfung und erfolgter Konformitätsbewertung und/oder Eichung genutzt werden darf.
Rz. 1299
Weder war eine innerstaatliche Bauartzulassung oder eine Baumusterprüfbescheinigung zu diesem Gerät in den Unterlagen vorhanden noch ist eine solche den Autoren bekannt. Auch in der MICERT Datenbank der PTB sind keine entsprechenden Eintragungen vorhanden. Da die PTB-Anforderungen 12.01, welche maßgeblich für die Vorgaben zur Zulassung von Geschwindigkeitsmessgeräten in der Verkehrsüberwachung sind, GPS-gestützte Geschwindigkeitsmesseinrichtungen nicht behandelt, könnte ein solches Gerät nach derzeitigem Stand auch weder zugelassen noch geeicht werden.
Rz. 1300
Die Verwendung solcher "Messgeräte" zur Verkehrsüberwachung und der damit einhergehenden Verstöße gegen gesetzliche Vorgaben obliegt einer juristischen Würdigung.
Rz. 1301
Technisch ist diese Verfahrensweise jedenfalls nicht geeignet, den vorgeworfenen Geschwindigkeitswert zu belegen und die aufgezeigten Fehlermöglichkeiten ausreichend zu kompensieren.
Zunächst stellt die eingeblendete Geschwindigkeit lediglich die Ist-Geschwindigkeit des Polizeifahrzeuges dar, welche dazu noch mit einem Fehler unbekannter Größe behaftet ist. Weiterhin ist anzumerken, dass das Messgerät Rollei keine Wegstreckenmessung liefert, die Geschwindigkeitsanzeige nur jede Sekunde aktualisiert wird und mit einem unbekannten Zeitverzug behaftet ist. Auch die Art, wie dieser Wert konkret gebildet wird, ist unbekannt.
Rz. 1302
Im Vergleich zu einer Messanlage vom Typ ProViDa 2000 Modular, einem zugelassenen und eichfähigen Messgerät, ist festzustellen, dass lediglich Messungen in vordefinierten Messmodi vorgenommen werden dürfen und die Verwendung der lediglich aktuell eingeblendeten Eigengeschwindigkeit des Messfahrzeuges für amtliche Zwecke der Verkehrsüberwachung durch die Gebrauchsanweisung sogar explizit untersagt ist.
Rz. 1303
Einhergehend mit den fehlenden technischen Dokumenten im Vergleich zu zugelassenen und geeichten Messgeräten erschließt sich aus technischer Sicht insofern auch nicht, woher die berücksichtigte Toleranz von 10 % stammt, wie diese festgelegt wurde und woher das Wissen bzw. der Glaube kommt, dass diese ausreichend sei.
Rz. 1304
Die Verfahrensweise ist insofern nicht dazu geeignet, technisch die zuvor aufgezeigten Fehlergrößen und Möglichkeiten beim Messen durch Nachfahren mit ungeeichtem Tachografen ausreichend zu berücksichtigen. Als Grundlage der Fehlerbetrachtung bei einer solchen Messung kann daher auch hier lediglich die vom Messpersonal anhand des ungeeichten Tachografen abgelesene Geschwindigkeit herangezogen werden.
Rz. 1305
Bezogen auf die Beweisfähigkeit der gefertigten Videoaufzeichnung zeigt sich bei der Auswertung oftmals zudem ein weiteres Problem gegenüber einer zugelassenen ProViDa – Anlage. Das Videobild wird während der Nachfahrt von Vibrationen häufig stark beeinflusst, so dass die Konturen des gemessenen Fahrzeuges bei einer Einzelbildschaltung nicht mehr scharf dargestellt werden. Abhängig von der Größenordnung des Nachfahrabstandes zwischen Polizei...