Julian Backes, Sven Eichler
Rz. 917
Anwender und Sachverständige gehen davon aus, dass die zuvor geschilderte Messvariante nunmehr als "sicher" einzustufen ist. Fehlermöglichkeiten werden verneint, da man davon ausgeht, dass Einfahrtsmessung und Ausfahrtsmessung innerhalb der Toleranzen übereinstimmen – dann liegt ein gültiger Messwert vor – oder nicht übereinstimmen – dann wird die Messung annulliert.
Dem muss aber widersprochen werden. Vielmehr ist die folgende Aussage korrekt:
Zitat
"Wird der in der Einfahrtsmessung ermittelte Messwert in einer unabhängig davon durchgeführten Messsequenz bei der Ausfahrtsmessung am selben Fahrzeug überprüft und stimmen die beiden Messwerte innerhalb der Toleranz überein, so liegt ein gültiger Messwert vor."
Diese Aussage basiert auf dem Denkansatz, dass für eine Fehlmessung dann zunächst die Einfahrtsmessung um einen Betrag "X" falsch sein muss. Daneben muss auch die Ausfahrtsmessung falsch sein und der Fehler muss sich zudem in der Größenordnung der Toleranzen bewegen. Das Zusammentreffen dieser drei Parameter ist hinreichend unwahrscheinlich.
Rz. 918
Eine vollkommen andere Situation ist jedoch dann gegeben, wenn zwei Fahrzeuge in der Art an der Messwertbildung beteiligt sind, dass sie sich seitlich verdecken.
Beispiele
Verkehr auf mehreren Fahrstreifen, Überholverkehr
Das erste Fahrzeug durchquert die Lichtstrahlen und unterbricht sie bei der Einfahrtsmessung, kann sie zur Ausfahrtsmessung jedoch nicht freigeben, da das zweite Fahrzeug vor Verlassen des Messbereiches durch das vorausfahrende Fahrzeug bereits in den Messbereich eingefahren ist. Das zweite Fahrzeug initiiert die Ausfahrtsmessung beim Verlassen der Messlinie.
Abbildung 4 – Verkehr auf mehreren Fahrstreifen, Überholverkehr, gültiger Messwert
Rz. 919
Auch hier wird oftmals die unrichtige und unzulässige Auffassung vertreten, dass kein falscher Messwert entstehen könne. Entweder fahren nach dieser Auffassung beide Fahrzeuge innerhalb der Verwertungstoleranzen gleich schnell und der niedrigste aller Einzelmesswerte kommt zur Anzeige oder die Geschwindigkeiten weichen voneinander ab und die Messung wird annulliert.
Rz. 920
Hierzu eine Vorbetrachtung:
Die Anzahl der "0 EE"-Messungen in einem Beweisfilm gibt Aufschluss über die "Messsicherheit" einer Messstelle. Bei zahlreichen Auswertungen von Messfilmen konnte festgestellt werden, dass die "0 EE"-Rate bei ebener Fahrbahn und konstant gefahrenen Geschwindigkeiten durch die überwachten Fahrzeuge verschwindend gering ist.
Dagegen sind bei unebenen Fahrbahnabschnitten, insb. i.V.m. einer ungünstigen Messhöhe von weniger als 55 cm, erhöhte Messannullierungsraten festzustellen, die in Einzelfällen weit mehr als 10 % der gemessenen Fahrzeuge betragen.
Informationen aus Anwenderkreisen belegen durchaus, dass es sich hierbei nur in den wenigsten Fällen um Messannullierungen infolge von Bremsungen handelt.
Hinweis
Vielmehr liegt die Vermutung nahe, dass es sich hier zum größten Teil um tatsächliche Fehlmessungen in der Größenordnung von mehr als 9 % der bei der Ein- oder Ausfahrtsmessung ermittelten Geschwindigkeit handelt. Die "serienmäßige" Überprüfung und Feststellung solcher Fehlmessungen ist nur durch zwei vollkommen voneinander getrennte Messungen am selben Fahrzeug gewährleistet.
Eine hohe Annullationsrate weist dabei auf eine grundsätzliche Neigung der Messstelle zu Fehlmessungen hin.
Rz. 921
Zunächst ist festzustellen, dass durch diese Art der Dokumentation der Annullierungen die korrekte Funktion des Messgeräts belegt wird und durch die beiden Messungen am selben Objekt die korrekte Messung des Fahrzeuges.
Hinweis
Dies gilt allerdings nur dann, wenn zweifelsfrei feststeht, dass auch tatsächlich beide Messungen vom selben Fahrzeug stammen.
Dies ist nicht immer der Fall, insb. bei mehrspurigem Fahrverkehr. Die Variante mit zwei Fahrzeugen, die sich im Gegenverkehr im Bereich der Messlinie begegnen, ist dabei nicht von Interesse, da in einem solchen Fall die unterschiedliche Fahrtrichtung der Messung bei Ein- und Ausfahrtsmessung zur Annullierung der Messung führt.
Rz. 922
Bei zwei parallel fahrenden Fahrzeugen, die sich im Bereich der Messlinie teilweise verdecken, kann es allerdings vorkommen, dass das vorausfahrende Fahrzeug die Einfahrtsmessung verursacht und das zweite, parallel fahrende Fahrzeug die Ausfahrtsmessung, da zwischen beiden Messungen die Lichtstrahlen nicht freigegeben werden.
In diesen Fällen sind wiederum mehrere Möglichkeiten der Messwertbildung gegeben. Fahren beide Fahrzeuge mit einer Differenzgeschwindigkeit von nicht mehr als 6 km/h (6 % bei Werten über 100 km/h) und die Einzelmessungen (Einfahrts- und Ausfahrtsmessung) sind jeweils innerhalb der Toleranz von 3 km/h (3 % bei Werten über 100 km/h) korrekt, so akzeptiert das Messgerät den Geschwindigkeitswert und blendet den niedrigsten aller festgestellten Messwerte im Beweisfoto ein. In diesem Fall steht nicht fest, dass der Messwert vom vorne fahrenden Fahrzeug stammt, aber beide Fahrzeuge sind in diesem Fall mindestens mit der angez...