Julian Backes, Sven Eichler
Rz. 438
Die VKS-Auswertesoftware besitzt keine Kontrollmechanismen, um fehlerhafte Kalibrierungen festzustellen.
Bevor ein Mess- oder Auswertevorgang erfolgen kann, müssen die auf der Fahrbahn aufgebrachten Markierungen vom Personal von Hand anvisiert werden.
Die Software verdeutlicht die ihr so vorgegebenen Positionen, auf die sich die perspektivische Transformation und damit die Wegstreckenberechnung stützen, durch auf der Bedienoberfläche erkennbare "Kringel".
Zur Markierung der Pass- und Kontrollpunkte auf der Fahrbahn und im Tatvideo ist auf Blatt 12 der Gebrauchsanweisung vom 28.11.2014 folgendes vorgeschrieben:
Zitat
"Die Passpunkte und Kontrollpunkte sind vor Ort als rechteckige Flächen so zu markieren, dass sie in der Videoaufnahme gut sichtbar sind. Die Position der Pass- und Kontrollpunkte an den markierten rechteckigen Pass- und Kontrollpunktflächen sind in einem Messstellenprotokoll zu dokumentieren. Alle Maßangaben der Messstelle müssen sich dabei an einem für jede einzelne Rechteckfläche zuvor als Referenzpunkt definierten Eckpunkt orientieren. Dieser Referenzpunkt ist auch bei der späteren Auswertung zu verwenden." (eigene Hervorhebung)
Abbildung 18: Verdeutlichung der üblichen Lage des definierten Eckpunkts; Auszug aus Blatt 66 der Gebrauchsanweisung vom 28.11.2014 unter eigener Bearbeitung (Ausschnittvergrößerung zur Visualisierung der Lage der Kontrollpunkte)
Soweit hier Fehler festgestellt werden, handelt es sich typischerweise um falsch gesetzte, das heißt gegenüber den Markierungen auf der Fahrbahn abweichende, Verortungen der Pass- und Kontrollpunkte.
Rz. 439
Folgende Abbildung zeigt, dass die Behörde die Lage der Kalibrierpunkte ("Kringel") geringfügig vor den Eckpunkten der auf der Fahrbahn aufgebrachten Markierungen (P2/P3) verortet hat.
Abbildung 19: Ausschnitt aus einem behördlichen Fotoprint; die der Auswertesoftware vom Auswertepersonal vorgegebene Position der Kalibrierpunkte ("Kringel") befindet sich geringfügig vor den auf der Fahrbahn aufgebrachten Markierungen.
Dadurch kommt es in diesem Fall zu einer leichten Stauchung der Messstrecke und es werden höhere Geschwindigkeiten und kleinere Abstände errechnet, als eigentlich vorliegen.
Solch geringe Abweichungen lassen sich häufig feststellen und sind im Hinblick auf die im Fernbereich herabgesetzte Erkennbarkeit der Markierungen zumindest nachvollziehbar.
Rz. 440
Im nachfolgenden Beispiel musste hingegen attestiert werden, dass die Kalibrierung einer ganz anderen Messstelle auf die konkrete Messung übertragen wurde.
So war zunächst die Lage der Pass- und Kontrollpunkte im Video digitalisiert worden, wodurch sich die ersichtlichen Kalibrierpunkte ergeben. Anschließend wurde im Verlauf der Auswertung das Tatvideo gewechselt und – unter Beibehaltung der alten Kalibrierpunkte – das Video einer ganz anderen Messstelle ausgewertet.
Daher ist in folgender Abbildung festzustellen, dass keiner der Kalibrierpunkte auch nur ansatzweise auf Höhe der jeweiligen Pass- und Kontrollpunkte liegt.
Einhergehend sind die von der Software ermittelten und ausgegebenen Werte zu Geschwindigkeit und Abstand zwangsweise falsch.
Abbildung 20: Behördlicher Fotoprint zur Auswertung unter Verdeutlichung der falsch liegenden Kalibrierpunkte (vgl. dunkler Pfeil) in Bezug auf die auf der Fahrbahn markierten Pass- und Kontrollpunkte (vgl. heller Pfeil)
Wie eine derart falsche Lage der Kalibrierpunkte bei der Auswertung vom Auswertebeamten unbemerkt bleiben konnte, erschließt sich nicht.
In jedem Fall ist hierdurch belegt, dass die Software über keine Sicherungsmechanismen verfügt, um derartige Fehler zu bemerken und/oder auszuschließen.