Julian Backes, Sven Eichler
Rz. 1079
Die wesentlichen Prüfkriterien sind hier:
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Das Fahrzeug befindet sich in einer plausiblen Position in Bezug zur Fotolinie |
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Der ermittelte Abstandswert ermöglicht eine zweifelsfreie Zuordnung ( 1 m) zum gemessenen Fahrzeug. |
aa) Position zur Fotolinie
Rz. 1080
Im Gegensatz zu den Messverfahren µP80 und ES1.0, für die Kameraauslöseverzögerungen o.ä. bekannt waren, um die Messung im Nachhinein wenn nicht auf Genauigkeit, so doch wenigstens auf Plausibilität prüfen zu können, gibt der Hersteller beim ES3.0 keine wesentlichen Informationen mehr preis. Die einzige offensichtliche Möglichkeit, eine Messung mit ES3.0 auf Plausibilität prüfen zu können, stellt die Position des gemessenen Fahrzeugs relativ zur Fotolinie dar.
In einem Schreiben der PTB vom 11.8.2009 wurde auf eine Anfrage des AG Frankfurt zur Möglichkeit einer nachträglichen Überprüfung der Messlogik bei der Auswertung der Messfotos noch folgendes mitgeteilt:
Zitat
"Im bestimmten Rahmen besteht die Möglichkeit, aus den Fotos Informationen zu entnehmen, die auf ein auffälliges, fehlerhaftes Verhalten des Gerätes schließen lassen. Hierzu gehören z.B. die Position des Fahrzeuges in Bezug auf die Fotolinie, der Abstand zum Geschwindigkeitsüberwachungsgerät sowie die Plausibilität der eingeblendeten Messwerte."
In der Gebrauchsanweisung und in aktuellen Schreiben der PTB heißt es diesbezüglich jedoch, dass die Fotolinie nur der eindeutigen Messwertzuordnung bei mehr als einem abgebildeten Fahrzeug diene. Zudem wurden mehr und mehr Erklärungen für Ausnahmesituationen in die Gebrauchsanweisung aufgenommen (Heckleuchte im Dunkeln, vorauseilende Schatten etc.), sodass es für annähernd jede Abweichung der Fotoposition eine mögliche, aber keinesfalls hinreichende Erklärung gibt. Letztendlich führt dies dazu, dass das gemessene Fahrzeug im Messfoto nunmehr eine nahezu beliebige Position einnehmen kann.
bb) Abbildung der Fahrstreifen
Rz. 1081
Die Abstandsmessung ist nur auf 1 m genau. D.h. ein Messwert von bspw. 10 m kann in einem Entfernungsbereich von 9 m bis 11 m gebildet worden sein.
Rz. 1082
Als Folge davon ist darauf zu achten, dass ein ausreichend großer Bereich (je 2 m) auf beiden Seiten neben dem abgebildeten Fahrzeug zusätzlich abgebildet ist. Es kann sonst unter Umständen nicht ausgeschlossen werden, dass sich ein weiteres Fahrzeug im Messbereich befand, dem der Messwert ebenfalls zugeordnet werden könnte.
Rz. 1083
Dies gilt nicht nur für die dem Sensorkopf zugewandte Seite des abgebildeten Fahrzeuges, denn wie in der Gebrauchsanweisung vom 25.11.2011 ausgeführt, kann es bei besonders niedriger Aufstellung des Sensorkopfes auch zu der Situation kommen, dass von einem Fahrzeug Messwerte auf der vom Sensor abgewandten Seite gebildet werden.
Rz. 1084
Interessanterweise wurde beim Nachfolgemodell ES8.0 in den gültigen PTB-A 12.07 vom Oktober 2019 durch die PTB für den Seitenabstand folgendes vorgeschrieben:
Zitat
"Zur hinreichend genauen Identifizierung der Fahrzeugfront und zur Minimierung von Abweichungen, die bei der Bestimmung der Fotoposition durch optische Effekte (z.B. vorauseilende Lichtreflexe, Schatten) hervorgerufen werden können, muss der Seitenabstand durch mindestens eine unabhängige Messmethode bestätigt werden."
Es wurde also offenbar mittlerweile festgestellt, dass die bisherige seitliche Abstandsmessung beim ES3.0 nach wie vor fehlerbehaftet ist oder sein kann und insofern der Abstand durch "mindestens eine unabhängige Messmethode" bestätigt werden muss.
Rz. 1085
Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass beim ES3.0 eine "hinreichend genaue Identifizierung der Fahrzeugfront" anhand der technischen Gegebenheiten des Messgeräts offenbar auch nach neuerer Ansicht der PTB nicht möglich ist, was durch die in diesem Werk gezeigten Fallbeispiele (vgl. Rdn 1118) bereits belegt wurde. Welche Konsequenzen diese Anforderung in Bezug auf die Messwertbildung bzw. die Handhabung und Auswertung beim ES3.0 hat, lässt die PTB allerdings gänzlich unerwähnt.
cc) Fazit zur Auswertung des Messfotos
Rz. 1086
Sollte die Fotoposition deutlich abweichen, so ist die Messung auf jeden Fall kritisch zu bewerten.
Rz. 1087
Die Abweichung der Fotoposition kann auf mehrere verschiedene Situationen zurückgeführt werden:
1. |
Eine fehlerhafte Messwertzuordnung bei der Auswertung. In dieser Situation fällt neben der abweichenden Fotoposition außerdem auf, dass der gemessene Abstand nicht dem seitlichen Abstand des abgebildeten Fahrzeuges zum Sensorkopf entspricht. |
2. |
Die Messwertbildung erfolgte nicht durch die Front des abgebildeten Fahrzeuges. Eine derartige Situation war zu Beginn des Messbetriebes mit diesem Gerät nicht vorgesehen. Einen Erklärungsversuch gab der Hersteller mit der Einführung einer neuen Gebrauchsanweisung am 25.11.2009 ab: die vorläufige Messwertbildung könne auch durch Lichteffekte wie vorauseilende Schatten erfolgen. |
Hinweis
Die Überprüfung der Position des Fahrzeuges im Messfoto ist bei vorhandenen Zweifeln am vorgeworfenen Geschwindigkeitswert jedoch generell nicht geeignet, den angezeigten Messwert technisch zu belegen. Hierzu ist die unabhängige Auswertung...