Julian Backes, Sven Eichler
Rz. 1576
Feststellungen von Rotlichtverstößen durch zugelassene Rotlichtüberwachungsanlagen sind den sog. "Standardisierten Messverfahren" zuzuordnen was insofern bedeutsam ist, dass sie als sichere amtliche Messverfahren gelten (vgl. dazu u.a. BGHSt 39, 2912; NJW 1993, 3081; s.a. die Ausführungen bei § 3 Rdn 123 ff.).
Die Beanzeigung von Rotlichtverstößen auf der Basis einer Beobachtung durch Zeugen und/oder durch fotografische bzw. videografische Aufzeichnung des Verstoßes stellt hingegen kein standardisiertes Messverfahren dar und bedarf immer einer ausführlichen Hinterfragung der von den beanzeigenden Zeugen getroffenen Wahrnehmungen bzw. einer einzelfallbezogenen Auswertung der gefertigten Beweismittel (fotografische Dokumentation, Videoaufzeichnung).
Die allgemeinen Anforderungen an die Zulassung/Baumusterprüfung von Rotlichtüberwachungsanlagen ergeben sich insb. aus der PTB-A 18.12 aus Dezember 2003, zuletzt überarbeitet im Oktober 2015 (PTB-A 12.02).
Rz. 1577
Rotlichtüberwachungsanlagen kommen zum Einsatz, um diejenige Zeit zu dokumentieren, die vom Beginn der Rotphase einer Verkehrsampel (auch Lichtzeichenanlage – LZA – genannt) bis zur Überfahrt eines Fahrzeuges über die Haltelinie verstrichen ist.
Rz. 1578
Bei allen bauartzugelassenen/baumustergeprüften Rotlichtüberwachungsanlagen wird im Fall dessen, dass die "Halt" gebietende Linie vor einem überwachten Kreuzungsbereich nach dem Umschalten der Ampel auf "Rot" von einem Fahrzeug überfahren wird, mit zwei oder mehreren Fotos die Verkehrssituation und die bis dahin verstrichene Rotzeit dokumentiert.
Rz. 1579
Das erste Foto wird unmittelbar bei Überfahrt eines Fahrzeuges über einen im Bereich der Haltelinie (bzw. kurz danach) fest installierten Anwesenheitssensor (z.B. Induktionsschleife) ausgelöst. Bei Messgeräten mit Laserscanner (z.B. PoliScan F1 HP, PoliScan FM1) wird das erste Foto ausgelöst, wenn ein vom LIDAR-Messkopf detektiertes Fahrzeug die Haltelinie passiert. Damit soll zum einen eine zweifelsfreie Zuordnung des betreffenden Fahrzeuges zu dem jeweiligen Rotlichtverstoß realisiert werden. Zum anderen wird in diesem Foto die seit Beginn der Rotphase verstrichene Zeit dokumentiert. Befindet sich der Anwesenheitssensor, dessen Überfahrt das erste Foto auslöst, nicht direkt an der Haltelinie, sondern ein Stück dahinter, muss der gemessene/dokumentierte Zeitwert der bereits andauernden Rotzeit so umgerechnet werden, dass der Zeitpunkt der Überfahrt des Fahrzeuges über die Haltelinie ermittelt wird (vorzuwerfende Rotzeit).
Rz. 1580
Das zweite (und ggf. noch weitere) Foto wird entweder nach einer festen Bildabstandszeit, durch Überfahren eines weiteren Anwesenheitssensors, oder sobald sich das Fahrzeug im Gefährdungsbereich der Kreuzung befindet, ausgelöst. Hiermit soll der Beweis geführt werden, dass das betreffende Fahrzeug weiter in den überwachten Bereich eingefahren ist und nicht etwa nach Überfahren der Haltelinie oder des ersten Sensors unmittelbar dort zum Stillstand gelangte, ohne sich weiter in den Gefährdungsbereich hinein zu bewegen. Im zweiten Foto wird u.a. auch die bis dahin verstrichene Rotzeit dokumentiert.
Rz. 1581
Zu unterscheiden sind Rotlichtüberwachungsanlagen die eine geräteinterne Berechnung der vorzuwerfenden Rotzeit vornehmen und Anlagen, bei denen die vorzuwerfende Rotzeit manuell zu berechnen ist.
Rz. 1582
Gemäß Beschluss des OLG Braunschweig (2.8.2006 – 2 Ss [B] 38/04) müssen alle spätestens seit Januar 2004 von der PTB zugelassenen Rotlichtüberwachungsanlagen die dem Betroffenen vorwerfbare Rotzeit automatisch ermitteln, ohne dass vom angezeigten Messwert Toleranzen zu subtrahieren sind.
Bei einer solchen geräteinternen Berechnung der vorzuwerfenden Rotzeit müssen alle Messtoleranzen so berücksichtigt werden, dass dieser Wert keinesfalls größer als der tatsächliche Wert ist. Allerdings empfiehlt es sich, insbesondere bei extrem niedrigen Fahrgeschwindigkeiten und/oder geringfügiger vorgeworfener Rotzeit (z.B. 0,02 s oder 1,02 s), eine einzelfallbezogene Auswertung im Hinblick auf den Einfluss einer nicht konstanten, sondern ungleichförmigen Fahrbewegung durchzuführen.
Rz. 1583
In den Beweisfotos sind gem. PTB-A 18.12/PTB-A 12.01 mindestens die Gelbphasendauer (Gelbzeit vor Umschalten auf "Rot" – bei zu kurzer Gelbphasendauer – Mindestwert minus 0,01 s – darf kein Messwert dokumentiert werden), die vorzuwerfende Rotzeit und der Fahrspurcode zu dokumentieren. Zusätzlich sind die zur Berechnung der vorzuwerfenden Rotzeit verwendeten Werte, wie insb. die Zeitmesswerte zum Zeitpunkt der Auslösung der Fotos und ggf. die Fahrzeuggeschwindigkeit, zu dokumentieren. Zumindest bei den Testfotos (sofern für das jeweilige Gerät gefordert) sind außerdem die verwendeten Standortparameter, wie Lampenverzögerungszeit (Zeit vom elektrischen Einschalten einer Lampe bis zum sichtbaren Aufleuchten) und ggf. die Abstände der Anwesenheitssensoren zur Haltelinie zu dokumentieren.
Rz. 1584
Bei Rotlichtüberwachungsanlagen älterer Bauart ist in aller R...