Julian Backes, Sven Eichler
Rz. 197
Zugrunde liegt folgende Forderung nach § 31 Abs. 2 Nr. 4 MessEG:
Zitat
"wer ein Messgerät verwendet, (...) sicherzustellen, dass Nachweise über erfolgte Wartungen, Reparaturen oder sonstige Eingriffe am Messgerät, einschließlich solcher durch elektronisch vorgenommene Maßnahmen, für einen Zeitraum von bis zu drei Monaten nach Ablauf der nach § 41 Nummer 6 bestimmten Eichfrist, längstens für fünf Jahre, aufbewahrt werden."
Somit hat die Forderung nach der Führung einer Lebensakte mittlerweile sogar Gesetzesrang. Die in der Praxis häufig vorgebrachte Erklärung, dass eine Lebensakte nicht geführt würde, da dies von der PTB nicht gefordert sei, ist damit seit dem 1.1.2015 irrelevant.
Das OLG Celle hat in seinem Beschl. v. 22.2.2022 den zeitlichen und inhaltlichen Umfang solcher Aufzeichnungen definiert und verlangt, dass Unterlagen zu sämtlichen Arbeiten (nicht nur eichrelevante) für den Zeitraum von der Eichung bis zur Hauptverhandlung vorzulegen sind.
1. Die nachfolgenden Regeln zum Führen einer Lebensakte sorgen dafür, dass die Vorgaben des OLG Celle eingehalten werden und dies auch nachgewiesen werden kann.1.Anerkannte Regeln der Technik bezüglich der Qualitätssicherung
Rz. 198
Die mit weitem Abstand bekanntesten Normen zur innerbetrieblichen Qualitätssicherung sind die der Normenreihe DIN EN ISO 9000 ff. Wie der TÜV Nord als eine allgemein anerkannte Zertifizierungsstelle für Qualitätsmanagementsysteme ausführt, bildet diese Normengruppe die Basis der Qualitätssicherung in vielen Organisationen.
Zitat
"Die Qualitätsmanagement-Normen der Reihe DIN EN ISO 9000, im Jahr 1987 eingeführt, bilden weltweit für eine Vielzahl von Organisationen der verschiedensten Branchen die Basis für Qualitätssicherung und Qualitätsmanagement und sind das am weitesten verbreitete Normenwerk der ISO (International Organisation for Standardization)"
Rz. 199
Somit bietet sich diese Norm als Basis für die Beschreibung der Forderung zur Qualitätssicherung auch beim Einsatz von Messverfahren im OWi-Verfahren an.
2. Wodurch wird der Begriff Qualität hier definiert?
a) Inhalt der Lebensakte nach DIN EN ISO 9001:2008
Rz. 200
Aus Sicht des Betroffenen ist hier selbstverständlich an erster Stelle die Sicherheit des Messwertes und der Messwertzuordnung zum Fahrzeug und damit letzten Endes auch zum Fahrer zu nennen.
Rz. 201
Innerhalb der DIN EN ISO 9001:2008 und auch der folgenden definiert Kapitel 7.6 die Anforderungen an die Lenkung von Überwachungs- und Messmitteln. Diese sollen genau die Messsicherheit bei Verwendung von entsprechenden Messmitteln sichern.
Rz. 202
Hier wird explizit gefordert:
Zitat
"Aufzeichnungen über die Ergebnisse der Kalibrierung und Verifizierung müssen geführt werden."
Die DIN EN ISO 9001:2015 formuliert dies abstrakter:
Zitat
"Die Organisation muss geeignete dokumentierte Informationen als Nachweis für die Eignung der Ressourcen zur Überwachung und Messung aufbewahren."
Rz. 203
Dies bedeutet umgesetzt auf die hier infrage stehende Lebensakte, dass eine solche geführt werden muss und ausgehend von dieser Vorgabe darin die Eichscheine und auch messwertrelevante Wartungs- und Reparaturprotokolle enthalten sein müssen.
Rz. 204
Dies ist auch ganz klar der ebenfalls in DIN EN ISO 9001:2008 enthaltenen Forderung zu entnehmen:
Zitat
"Außerdem muss die Organisation die Gültigkeit früherer Messergebnisse bewerten und aufzeichnen, wenn festgestellt wird, dass die Messmittel die Anforderungen nicht erfüllen."
Die DIN EN ISO 9001:2015 fordert:
Zitat
"Die Organisation muss ermitteln, ob die Gültigkeit älterer Messergebnisse beeinträchtigt wurde, wenn bei der geplanten Verifizierung oder Kalibrierung oder bei der Verwendung des Messgeräts festgestellt wird, dass es fehlerbehaftet ist, woraufhin die Organisation gegebenenfalls entsprechende Korrekturmaßnahmen einleiten muss".
Rz. 205
Ob sich die hier zusätzlich geforderte Neubewertung von Messungen vor einer erfolglosen Neukalibrierung (hier Eichung) im OWi-Verfahren realisieren lässt, unterliegt dann wiederum eher der juristischen als der technischen Würdigung.
Rz. 206
Insgesamt ergeben sich aus den berechtigten Forderungen des Betroffenen an dieser Stelle die folgenden Inhalte einer Lebensakte:
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Eichscheine, |
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Eichprotokolle, auch zusammen mit den fallweise zu fertigenden technischen Aufzeichnungen (z.B. Signaldiagramme bei Piezo-Messeinrichtungen), |
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Wartungs- und Reparaturprotokolle mit genauer Beschreibung der durchgeführten Arbeiten, der ausgetauschten Teile und geänderten Software. |
b) Inhalt der Lebensakte nach betrieblicher Praxis
Rz. 207
Darüber hinausgehend wird der Betreiber sinnvollerweise auch noch fordern, dass die Einsatzfähigkeit des Messgerätes maximiert wird und somit sowohl die Wartungsdauer als auch die Ausfallwahrscheinlichkeit im Betrieb minimiert wird.
Rz. 208
Aus der Sicht des Betreibers sind dies selbstverständlich auch legitime Gesichtspunkte, da kein Gerätebetreiber ein teures Gerät über einen langen Zeitraum hinweg und mit erheblichem Personalaufwand messen lassen möchte, um bei der Auswertung festzustellen, dass z.B. die Fotografien der Messsituation alle komplett unterbelichtet sind und deshalb nicht verwertet werden können. Desgleichen ist es vor dem Hintergrund, dass der Steuerzahler letzten Endes die Kosten dieser Messgeräte refinanzieren muss, auch aus dies...