Julian Backes, Sven Eichler
Rz. 1563
Von grundlegender Bedeutung bei Radarmessungen sind die auftretenden Reflexionsmöglichkeiten. Neben den allgemein diskutierten Reflexionsmöglichkeiten an Gegenständen in der direkten Radarstrahlung (Fahrzeuge, Zäune, Garagentore, Verkehrszeichen pp.) ist dabei allerdings auch die Reflexion an der Fahrbahnoberfläche interessant. Hierbei interessiert insb. das Radargerät Multanova 6F, dessen Antenne sich zur Fahrbahnoberfläche hin absenken lässt.
In den Ausbildungsunterlagen wird eine Absenkung bis max. 6° zur Fahrbahnoberfläche hin als akzeptabel bezeichnet. Eine weiter gehende Absenkung sollte unterbleiben.
Bei einer Neigung um 10° kommt es im Normalfall zu einer vollständigen Reflexion der Radarstrahlung auf der Fahrbahnoberfläche, bevor die zu messenden Fahrzeuge erfasst werden. Hier ist die Frage zu diskutieren, ob dadurch der Messwinkel von 22° u.U. auf 0° reduziert werden kann und ob dadurch fehlerhaft zu hohe Messwerte in der Größenordnung von fast 8 % des gemessenen Wertes auftreten können.
Rz. 1564
Im Folgenden wird erörtert, inwieweit Radarstrahlung, wie sie zur Verkehrsüberwachung eingesetzt wird, mit Gegenständen und Oberflächen wechselwirkt, auf die sie fällt.
Zuerst werden die wesentlichen Grundlagen zusammengefasst. Dann wird das Verhalten der Radarstrahlung beim Auftreffen auf eine Asphaltdecke beschrieben. In der Folge werden die verschiedenen Möglichkeiten beschrieben, wie Radarstrahlung zum zu messenden Fahrzeug und von dort wieder zurück zum Radargerät gelangen kann. Die verschiedenen Fälle werden abschließend verglichen, und ihre Plausibilität wird diskutiert.
Dabei wird festgehalten, dass Reflexionen an der Fahrbahnoberfläche, die vom Gerät als korrekt akzeptierte, aber nicht der wahren Geschwindigkeit des zu messenden Fahrzeugs entsprechende Werte erzeugen, nicht generell auszuschließen sind.
1. Grundlagen
Rz. 1565
Radarstrahlung ist, wie Licht, eine elektromagnetische Welle, die sich in Luft mit der bekannten Lichtgeschwindigkeit von 300.000.000 m/s ausbreitet. Im Fall der Messanlage Multanova 6F haben die Wellen eine Frequenz von 34.3 Ghz 100 Hz (entspricht einer Genauigkeit von 0.0038 %).
Die Wellenlänge der Radarstrahlung ist jedoch mit 8.7 Millimetern (tausendstel Meter) größer als die von sichtbarem Licht mit 480 bis 800 Nanometern (milliardstel Meter).
Laut Hersteller ist die Radarantenne so geformt, dass sie ggü. einem isotropen Strahler, d.h. einer Strahlenquelle, die in alle Richtungen gleichmäßig Strahlung abgibt, in eine Strahlenkeule mit dem Öffnungswinkel von 5 Grad ein etwa um 30 Dezibel, d.h. drei Zehnerpotenzen, im Folgenden als Größenordnungen bezeichnet, stärkeres Signal liefert.
Rz. 1566
Gleich Licht kann auch Radarstrahlung gebrochen, reflektiert oder gestreut werden.
Bei der Reflexion oder Brechung von elektromagnetischen Wellen – Licht wie Radarstrahlung – spielt der sog. Brechungsindex eine Rolle.
Der Brechungsindex hängt stark von der atomaren Struktur des reflektierenden oder brechenden Körpers ab und ist daher auch nicht unabhängig von der Wellenlänge der elektromagnetischen Strahlung, die mit dem Körper wechselwirkt.
Daher kann ein Gegenstand oder eine Substanz für sichtbares Licht undurchlässig, und folglich reflektierend oder absorbierend sein, während er/sie in einem anderen Wellenlängenbereich ganz anders mit der elektromagnetischen Strahlung wechselwirkt und für diese Strahlung zumindest zu einem Teil durchlässig ist.
2. Wechselwirkung von Radarstrahlung mit einer Fahrbahndecke
Rz. 1567
Trifft Radarstrahlung auf eine Asphaltschicht, so wird sie aufgrund des flachen Einfallswinkels teilweise an der Grenzfläche zwischen Luft und Bitumen reflektiert.
Die Strahlung wird jedoch durch diese Reflexion nicht aus der Achse der Sendeantenne abgelenkt.
Ein Teil der Radarstrahlung dringt in das Bitumen ein, da dieses für Radarstrahlung transparent ist. Radarstrahlung des angrenzenden Frequenzbandes wird im Straßenbau zur Überprüfung des Zustandes von Fahrbahndecken durch "Durchleuchtung" verwendet.
Rz. 1568
Reflexionen können außerdem an jeder Unebenheit im Fahrbahnbelag entstehen, die größer ist als die Wellenlänge der einfallenden Strahlung. Durch diese Reflexionen wird die Radarstrahlung aus der Achse der Sendeantenne abgelenkt.
Außer Reflexionen an ebener Fahrbahn, ohne wesentliche Ablenkung und Reflexionen an Fahrbahnunebenheiten mit einer möglichen wesentlichen Ablenkung der Strahlung, tritt bei der Wechselwirkung von Radarstrahlung mit dem Fahrbahnbelag noch Streuung auf.
Streuung kann im Allgemeinen auftreten an Körpern oder Oberflächenstrukturen, die die Größe der Wellenlänge der einfallenden Welle haben, hier 8,7 mm.
Die im Bitumen enthaltenen Splitt-Körner, die der mechanischen Festigkeit des aus Bitumen und Splitt gebildeten Asphalts dienen, haben in etwa eine Größe von 1 cm, je nach Anforderung an den Fahrbahnbelag. Die Korngröße liegt also im Bereich der Wellenlänge der verwendeten Radarstrahlung.
Damit kann nicht ausgeschlossen werden, dass beim Einsatz von Radargeräten zur Geschwindigkeitsmessung, wenn Radarstrahlung vor dem zu messe...