Rz. 19
Aufgrund der Reform zur Sachaufklärung in der Zwangsvollstreckung 2013 und der weiteren Änderungen zu § 755 ZPO kann der Gläubiger den Gerichtsvollzieher zur Informationsgewinnung mit erweiterten Befugnissen einschalten. Allerdings ist dies nur mit einem Vollstreckungsauftrag möglich, der eine konkrete Vollstreckungsmaßnahme bezeichnet. Isolierte Aufenthaltsermittlungsaufträge sind unzulässig.
Rz. 20
Für die Adressermittlung durch den Gerichtsvollzieher ist von einer Zuständigkeit aller Gerichtsvollzieher im Bundesgebiet auszugehen, wenn kein Anknüpfungspunkt für den Aufenthalt des Schuldners besteht.
Rz. 21
Ist der Wohnsitz oder gewöhnliche Aufenthaltsort des Schuldners nicht bekannt, darf der Gerichtsvollzieher aufgrund des Vollstreckungsauftrags und der Übergabe der vollstreckbaren Ausfertigung zur Ermittlung des Aufenthaltsorts des Schuldners bei der Meldebehörde die gegenwärtigen Anschriften sowie Angaben zur Haupt- und Nebenwohnung des Schuldners erheben, § 755 Abs. 1 S. 1 ZPO. Liegt bei der Meldebehörde eine Auskunftssperre nach dem betroffenen Schuldner vor, darf der Gerichtsvollzieher eine erteilte Meldeauskunft nicht an den Gläubiger weitergeben. Er darf die ihm von der Meldebehörde mitgeteilte Anschrift des Schuldners zur Erledigung der beauftragten Zwangsvollstreckungsmaßnahmen jedoch solange und soweit verwenden, als dem die Auskunftssperre nicht entgegensteht und er die schutzwürdigen Interessen des Schuldners an der Geheimhaltung seiner Anschrift durch geeignete Maßnahmen wahren kann.
Rz. 22
Der Gerichtsvollzieher darf nach § 755 Abs. 1 S. 2 ZPO auch beauftragt werden, die gegenwärtigen Anschriften, den Ort der Hauptniederlassung oder den Sitz des Schuldners zu erheben
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durch Einsicht in das Handels-, Genossenschafts-, Partnerschafts-, Unternehmens- oder Vereinsregister oder |
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durch Einholung einer Auskunft bei den nach Landesrecht für die Durchführung der Aufgaben nach § 14 Abs. 1 GewO zuständigen Behörden (regelmäßig die örtlichen Ordnungsämter). |
Mit Einführung des Gesellschaftsregisters für die Gesellschaft bürgerlichen Rechts ab dem 1.1.2024 dürfte auch dort das Einsichtsrecht zulässig sein.
Rz. 23
Ist der Aufenthaltsort des Schuldners auf diese Weise nicht zu ermitteln, darf der Gerichtsvollzieher nach § 755 Abs. 2 ZPO:
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zunächst beim Ausländerzentralregister die Angaben zur aktenführenden Ausländerbehörde sowie zum Zuzug oder Fortzug des Schuldners und anschließend bei der gemäß der Auskunft aus dem Ausländerzentralregister aktenführenden Ausländerbehörde den Aufenthaltsort des Schuldners, |
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bei den Trägern der gesetzlichen Rentenversicherung und bei einer berufsständischen Versorgungseinrichtung die dort bekannte derzeitige Anschrift, den derzeitigen oder zukünftigen Aufenthaltsort des Schuldners sowie |
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bei dem Kraftfahrt-Bundesamt die Halterdaten nach § 33 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StVG |
erheben.
Rz. 24
Der Gerichtsvollzieher kann den Auftrag, die Ermittlung der Anschrift beim gesetzlichen Rententräger oder bei einer berufsständischen Versorgungseinrichtung durchzuführen, nicht mit der Begründung ablehnen, eine vom Gläubiger eingereichte Einwohnermeldeamts-Auskunft sei nach Ablauf von 14 Tagen nicht mehr verwendbar. Beantragt der Gläubiger, eine Adressauskunft bei der Deutschen Rentenversicherung einzuholen, ist eine vom Gläubiger vorgelegte Meldeauskunft eines Privatanbieters nicht ausreichend. Der Gerichtsvollzieher kann ohne Weiteres auf Kosten des Gläubigers vorab eine Einwohnermeldeamtsauskunft einholen. Die Erhebung bei einer berufsständischen Versorgungseinrichtung darf der Gerichtsvollzieher nur durchführen, wenn der Gläubiger die berufsständische Versorgungseinrichtung bezeichnet und tatsächliche Anhaltspunkte nennt, die nahelegen, dass der Schuldner Mitglied dieser berufsständischen Versorgungseinrichtung ist, § 755 Abs. 2 S. 4 ZPO.
Rz. 25
Ist der Schuldner Unionsbürger, darf der Gerichtsvollzieher die Daten aus dem Ausländerzentralregister nur erheben, wenn ihm tatsächliche Anhaltspunkte für die Vermutung der Feststellung des Nichtbestehens oder des Verlusts des Freizügigkeitsrechts vorliegen. Eine Übermittlung der Daten an den Gerichtsvollzieher ist ausgeschlossen, wenn der Schuldner Unionsbürger ist, für den eine Feststellung des Nichtbestehens oder des Verlusts des Freizügigkeitsrechts nicht vorliegt.
Rz. 26
Die auf diese Weise erhobenen Daten, die innerhalb der letzten drei Monate bei dem Gerichtsvollzieher eingegangen sind, darf dieser auch in einem Zwangsvollstreckungsverfahren eines weiteren Gläubigers gegen denselben Schuldner nutzen, wenn die Voraussetzungen für die Datenerhebung auch bei diesem Gläubiger vorliegen, § 755 Abs. 3 ZPO.
Rz. 27
Bei all diesen erweiterten Auskunftsmöglichkeiten darf nicht vergessen werden, dass der Gerichtsvollzieher selbst auch eine originäre Ermittlungspflicht kraft seines Amtes hat. Bei einem Mehrfamilienhaus zum Beispiel trifft den Gerichtsvollzieher die Pflicht zur Erkundung, ob der unter der Anschrift offizie...