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Auf Spätfolgen kann sich der Verletzte nach rechtskräftiger Entscheidung über ein uneingeschränktes Schmerzensgeld wegen der entgegenstehenden Rechtskraft dann nicht mehr berufen, wenn sie in dem früheren Verfahren berücksichtigt werden konnten,[109] weil sie objektiv erkennbar und ihr Eintreten voraussehbar waren.[110]

Die entgegenstehende Rechtskraft verneint hat der BGH[111] beispielsweise in einem Fall, in dem einem Verletzten in einem Vorprozess wegen des Schleudertraumas der Halswirbelsäule ein Schmerzensgeld von 750 EUR zugebilligt worden war, und der nunmehr aus demselben Unfallgeschehen 80.000 EUR wegen der dabei erlittenen paranoid-halluzinatorischen Psychose verlangte. Die Psychose sei kein Folgeschaden der Halswirbelsäulenverletzung, sondern beruhe auf dem Unfallerlebnis. Deshalb sei der Streitgegenstand des zu entscheidenden Rechtsstreits ein anderer als der des früheren Verfahrens. Die Rechtskraft der Vorentscheidung steht auch einer weiteren Klage des Geschädigten nicht entgegen, mit der festgestellt werden soll, ob und in welcher Höhe für einen bestimmten Zeitraum ein Verdienstausfallschaden eingetreten ist. Denn diese Frage betrifft den Umfang des Unfallschadens, also die Höhe des Anspruchs, und wird deshalb von der Rechtskraft eines vorausgegangenen Feststellungsurteils betreffend die Ersatzpflicht sämtlicher materieller Schäden aus dem Unfallereignis nicht erfasst.[112]

Die positive Feststellung zur Ersatzpflicht hinsichtlich eines weiteren immateriellen Schadens bezieht sich regelmäßig auf Verletzungsfolgen, die objektiv nicht erkennbar und gegenwärtig nicht vorherzusehen sind.[113] Eine Verurteilung zu Schmerzensgeld unter Abweisung eines Antrags auf Feststellung der Verpflichtung zum Ersatz weiterer immaterieller Schäden umfasst nicht später geltend gemachte, im Zeitpunkt der Entscheidung des Vorprozesses nicht vorhersehbare Folgeschäden.[114]

[109] OLG Karlsruhe VersR 2010, 924, 925.
[110] BGH NJW 1988, 2300; BGH NJW 1995, 1614; BGH NJW-RR 2006, 712; BGH r+s 2018, 678.
[111] BGH NJW 1998, 1786.
[113] OLG Schleswig BeckRS 2002, 30234626.

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